Calmy-Rey bleibt über 2011 hinaus
Publiziert am 08. Dezember 2010Micheline Calmy-Rey wurde mit nur 106 Stimmen zur neuen Bundespräsidentin gewählt. Dass sie ein schlechtes Ergebnis einfahren würde, war schon im Vorfeld klar. Nun wurde ihr sogar ein “Denkzettel” verpasst, den sie verdient habe. Calmy-Rey müsse in diesem neuen Amt “runder” werden, sagte ihre Parteikollegin, die Genfer Nationalrätin Maria Roth Bernasconi, über Mittag auf Schweizer Radio DRS.
Eveline Widmer-Schlumpf erzielte als neue Vizepräsidentin mit 146 Stimmen ein überraschend gutes Resultat. Daraus Schlüsse für die Gesamterneuerungswahlen in einem Jahr zu ziehen, wäre kühn. Am Mittwoch, 14. Dezember 2011 geht es um parteistrategische Machtpolitik. Bis dann wird die SVP weiterhin mit Artillerie und Kavallerie auf Widmer-Schlumpf feuern. Ihr Sitz wackelt.
Die SP wiederum hat dereinst wenig Spielraum, um ihren zweiten Bundesratssitz zu sichern. Tritt Calmy-Rey in einem Jahr zurück, steht ihr Sitz erst an siebten und letzter Stelle zur Disposition. Das kann brenzlig werden: Je nach Dynamik der vorherigen Wahlgänge könnte sich die bürgerliche Mehrheit des Parlaments darauf verständigen, den offiziellen SP-Kandidaten aus der Romandie (mutmasslich den Fribourger Ständerat Alain Berset) nicht zu wählen.
Dieses Szenario wird realistischer, wenn Widmer-Schlumpf die Wiederwahl schaffen sollte. Dann käme es beim siebten Umgang zu einem Angriff des SVP-Kandidaten – vermutlich erneut Jean-François Rime -, auch er ein Fribourger.
Die SP-Spitze ist sich der Gefahren bewusst. Sie wird alles daran setzen, die wenig geliebte Calmy-Rey auf ein Ausharren in der Landesregierung bis 2012 oder sogar 2013 einzuschwören.
Foto Micheline Calmy-Rey: schweizer-illustrierte.ch
Frage: tritt MCR in einem Jahr NICHT zurück, wie hoch ist dann aus heutiger Sicht die Wahrscheinlichkeit einer Abwahl?
Interessant. Denn genau der Calmy-Rücktritt könnte zum “Schlumpfwinner” werden. Alle Seiten werden viel nachzudenken haben. Mitte/Mitterechts wird in erster Linie die eigenen Risiken abwägen.
Die SVP wird darüber nachdenken müssen, ob sie lieber weiterhin zwei SP Minister/innen oder nochmals vier Jahre mit dem Widmer-Schlumpf-Fluch leben will.
Für die SP ist die Lage nicht weniger knifflig, denn um den zweiten Sitz zu halten, müsste man vermutlich mithelfen, Widmer-Schlumpf rauszuwerfen. Was parteiintern zu etwelchen Diskussionen führen dürfte. Keine Frage, das neue Jahr ist Zunder.
‘@ RM
Bei Gesamterneuerungswahlen gilt ja das Anciennitätsprinzip. Entsprechend wäre Micheline Calmy-Rey (MCR) das erste Bundesratsmitglied, das zur Wiederwahl stünde.
Aus der heutigen Perspektive kann ich mir nicht vorstellen, dass die vereinigte Bundesversammlung den Wahlprozess ins Chaos stürzen will, denn: wird MCR im ersten Durchgang abgewählt, drohen Szenarien, die die politische Stabilität des Landes gravierend erschüttern würden.
Auch nach den Wahlen 2011 dürfte die SP die zweistärkste Partei bleiben. Entsprechend ist die Hemmung gross, ihr den zweiten Bundessratssitz abspengstig zu machen.
Als Faustregel gilt: Jemand wird in den Bundesrat gewählt, wenn er von drei grossen Fraktionen mehrheitlich unterstützt wird. Das dürfte auch in einem Jahr noch Gültigkeit haben.
@ Fred Lauener
Wenn es hart auf hart kommt, und das wird es, dürfte die SP Widmer-Schlumpf fallenlassen. Es steht für sie zu viel auf dem Spiel.
Es sei denn – und das wäre ein Hammerplot – die SVP brächte erneut ihren Altmeister als Kandidat. Ganz ausschliessen würde ich das nicht.
Man stelle sich das vor: Der 2007 abgewählte Christoph Blocher fordert seine Bezwingerin Widmer-Schlumpf zum Duell.
‘@ Mark Balsiger
Nächste Frage: wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass die FDP-Fraktion Ende 2011 noch als gross gelten kann?
Bundesrätin Micheline Calmy-Rey tritt erst nach 2011 zurück.
Denn CVP, FDP und SP werden 2011 bei den eidgenössischen Wahlen verlieren. BDP und Grünliberale werden gewinnen. Die Höhe der Gewinne hängen davon ab, wie viele “Mittewähler” überhaupt noch wählen werden. Im linken Spektrum duellieren sich SP und die Grünen. Je nachdem verliert die eine oder die andere Partei auf Kosten der anderen. Die SVP legt wie immer zu, wenn auch nur leicht, v.a. durch die Mobilisierung von “Neuwählern”.
Bei den anschliessenden Bundesratswahlen wird Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit einer Konkordanz-Begründung abgewählt. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wechselt ins Finanzdepartement oder ins Departement des Innern, falls Bundesrat Didier Burkhalter wechselt. Die SVP erhält ihren zweiten Sitz und übernimmt das Justiz- und Polizeidepartement mit Caspar Baader (Mann aus Basel-Land, Jurist, stramm auf Parteilinie).
‘@ JC
Stringente Zusammenfassung. Einzig beim neuen SVP-Bundesrat Baader mache ich ein Fragezeichen. Er dürfte Mühe haben, gewählt zu werden. Das Parlament vergisst nicht so schnell, was er bei den Bundesratswahlen im Dezember 2007 sagte.
Anstelle von Baader setze ich meine Steine wirklich auf Rime. Die Volkspartei braucht einen Bundesrat aus der Romandie – dieser Druck ist vorhanden.
@ RM
Ich schliesse eine Wette ab, dass es zu einer neuen Fraktion FDP.Die Liberalen und BDP kommt. Was halten Sie davon?
‘@ mark balsiger
ihre wette ist mir zu riskant weil echt realistisch, zumindest was die eliten dieser parteien angeht. bei der BDP-basis sehe ich es jedoch anders. ich freue mich auch auf den bevorstehenden dreikampf amstutz/markwalder/wyss im kanton bern (wir berichteten:-). hier schliesse ich die wette ab, dass amstutz
gewinnt. was halten sie davon?
Eine Partei die sich für ein flexibles Rentenalter (eher früher als später) einsetzt und gegen die Erhöhung des Rentenalters kämpft, macht sich vollkommen unglaubwürdig, wenn ihre Mandatsträger/innen über das offizielle AHV-Alter hinaus an ihren Sesseln kleben bleiben. Egal aus welchen taktischen Überlegungen.
Das gilt für MCR genauso wie für gewisse Nationalräte/innen…
[…] der Landesregierung hinter sich. Dass sie der SP zuliebe länger bleibt, wie ich im letzten Herbst einmal mutmasste, dürfte kaum eintreffen. Sie erzielte im letzten Dezember für das Präsidium nur gerade 106 […]