Mit dem neuen Epidemiengesetz passen wir uns an die heutigen Realitäten an
Publiziert am 06. September 2013
GAST-Beitrag von Ursula Zybach *
Für einen wirksamen Schutz vor Epidemien sind gesetzliche Grundlagen unerlässlich. Die Generationen unserer Eltern und Grosseltern haben dies erkannt und bereits 1970 ein Epidemiengesetz geschaffen. Es war ein gutes Gesetz, das den damaligen Bedürfnissen entsprach. Seither sind jedoch über 40 Jahre vergangen – ein halbes Menschenleben!
Vieles hat sich seither verändert: Wir Menschen sind mobiler, städtischer, globaler geworden. Erreger von übertragbaren Krankheiten reisen mit uns und unsern Güterströmen von einem Kanton zum anderen und in kürzester Zeit auch um die ganze Welt. Zudem haben sich auch die Erreger von übertragbaren Krankheiten verändert, sie haben zum Beispiel Artenbarrieren übersprungen oder sind resistent geworden gegen unsere Medikamente. Spätestens die Erfahrungen mit der Lungenkrankheit SARS haben es gezeigt: Den veränderten Bedrohungsmustern ist das Gesetz von 1970 nicht mehr gewachsen.
Deshalb wurde es umfassend überarbeitet. Es geht bei der Abstimmung vom 22. September somit um die Frage, ob die Schweiz ihr Schutz-Dispositiv gegen ansteckende Krankheiten den Gefahren von heute anpassen will, oder ob sie weiterhin mit dem Werkzeugkasten des letzten Jahrhunderts zurechtkommen muss.
Eine Revolution findet mit dem revidierten Gesetz nicht statt: Was sich bewährt hat – etwa die Impfpraxis, wie wir sie heute kennen – wird unverändert weitergeführt. Einige entscheidende Elemente werden jedoch an heutige Gegebenheiten angepasst. So sollen gefährliche Infektionskrankheiten besser als bisher verhütet, bekämpft, überwacht und früher erkannt werden. Weiter sollen nationale Programme den Schutz der Bevölkerung verbessern, Infektionen im Spital bekämpfen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verhindern. Ein dreistufiges Eskalationsmodell regelt die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in Krisensituationen, ein ständiges Koordinationsgremium stellt deren Zusammenarbeit im Alltag sicher.
Über solche Anpassungen an heutige Realitäten stimmen wir am 22. September ab. Und nicht etwa über einen wie auch immer gearteten Impfzwang, wie uns die Gegner glauben machen wollen: Einen solchen gibt es heute nicht und wird es auch morgen nicht geben. Vielmehr wird der Handlungsspielraum der Kantone, obligatorische Impfungen zu verfügen, stark eingeschränkt. Das heutige Epidemiengesetz erlaubt es den Kantonen nämlich ohne nähere Bedingungen, Impfungen für obligatorisch zu erklären. Mit dem neuen Gesetz dürfen Impfobligatorien dagegen nur noch bei einer erheblichen Gefahr, nur für einzelne Personengruppen und ausschliesslich für eine befristete Zeit erlassen werden. Und auch dann gilt wie bereits heute: Jede Person kann frei entscheiden, ob sie sich impfen lassen will oder nicht.
Kurz: Das umfassend revidierte Epidemiengesetz schützt uns besser vor den Gefahren der heutigen Zeit. Diese Anpassung ist im Interesse der öffentlichen Gesundheit dringend nötig. Deshalb braucht es ein klares Ja am 22. September.
* Ursula Zybach ist Präsidentin Public Health Schweiz und wohnt in Spiez (BE). Vor Wochenfrist erhielt Nationalrat Lukas Reimann (svg/SG) namens der Gegner Gelegenheit, hier Stellung zu beziehen.
Foto Ursula Zybach: zvg