Mit einem baldigem Rücktritt von Moritz Leuenberger bliebe das Uvek bei der SP

Publiziert am 11. Juli 2008

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Manche Beobachter behaupten schon lange, Bundesrat Moritz Leuenberger sei amtsmüde. Nun fragte der “Blick”: “Tritt Bundesrat Leuenberger zurück?” Autor Georges Wüthrich ist einer der besten Kenner von Bundesbern und deswegen würde ich seinen Artikel nicht einfach als flockige Sommergeschichte abtun. Lesen also auch wir im Kaffeesatz.

Bürgerliche Politiker spekulieren schon seit Jahren darauf, der SP das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) abspenstig zu machen. Leuenberger ist seit zwölfeinhalb Jahren im Amt und führt seither das Uvek. Demissioniert er in den nächsten Wochen oder Monaten, dürfte es bei der SP bleiben. Wieso?

1. Das Ansinnen gewisser Strategen, eine Mitte-Rechts-Regierung ohne SP-Beteiligung zu installieren, hat die nächsten Jahre keine Chance. Dafür wurde seit der Blocher-Abwahl zu viel Geschirr zerschlagen. Dafür ist der Respekt vor der SP in einer echten Opposition zu gross; sie könnte alles blockieren und würde in kurzer Zeit die stärkste Partei.

2. Der Anspruch der SP auf zwei Sitze im Bundesrat ist unbestritten. Bei einer Einervakanz wird ein SP’ler Leuenbergers Sitz erben, auch wenn ein SVP-Kampfkandidat aufgestellt wird.

3. Eine Rochade bei den Departementen zeichnet sich aber nicht ab:

– Pascal Couchepin hat kein Interesse mehr an einem Wechsel. Er dürfte auf Ende seines Präsidialjahres oder nächstes Jahr zurücktreten.

– Samuel Schmid steht im Spätherbst seiner politischen Karriere. Ausgerechnet jetzt, während den Turbulenzen mit der SVP und im VBS, das Departement zu wechseln, würde als “Davonlaufen” taxiert und kommt deswegen kaum in Frage. Möglicherweise tritt er Ende 2010, nach seinem Präsidialjahr, zurück. Bringt die “Oppositions”-SVP einen gemässigten Kandidaten, dürfte dieser Schmids Sitz übernehmen.

– Hans Rudolf Merz ist es offensichtlich wohl im Finanzdepartement, dasselbe gilt für Micheline Calmy-Rey im EDA.

– Doris Leuthard wurde erst vor zwei Jahren gewählt, das Volkswirtschaftsdepartement trägt ihre Handschrift. Sie hat aber noch viel zu tun und wird deshalb kaum wechseln wollen.

– Bei Eveline Widmer-Schlumpf schliesslich stellt sich die Frage nach einem Wechsel gar nicht: Sie hat sich in den letzten sieben Monaten im EJPD eingearbeitet und eine dicke Haut gebraucht, um im SVP-Trommelfeuer zu bestehen.

Kommt es zu einem Zweier-, Dreier- oder sogar Vierer-Rücktritt (Leuenberger, Couchepin, Schmid, Merz), etwa auf Ende 2010 oder Ende 2011, gäbe es viele Varianten und damit Unsicherheiten. Bei einer grösseren Neubesetzung der Landesregierung wäre die SP das Uvek vermutlich los. Das will sie auf keinen Fall, es ist für sie ein Schlüsseldepartement.

Leuenberger kann seiner Partei diesen Sommer ein famoses Abschiedsgeschenk machen.

Foto Moritz Leuenberger: blick.ch

4 Replies to “Mit einem baldigem Rücktritt von Moritz Leuenberger bliebe das Uvek bei der SP”

  1. egal in welchem departement, ein neues gesicht im bundesrat könnte der sp nicht schaden.
    nicht weil leuenberger schlechte arbeit geleistet hat, sondern weil er schon sehr lange dabei ist und weil viele linke im land sich nicht wirklich vom duo calmy-rey/leuenberger vertreten fühlen.

    wie wär’s mit simonetta sommaruga als nachfolgerin?

  2. Die “NZZamSonntag” nimmt sich in ihrer heutigen Ausgabe auch Moritz Leuenberger und seinem möglichen Rücktritt an. Allerdings kommt sie zum Schluss, dass der wohl noch einige Zeit Bundesrat bleiben werde. Der komplette Artikel:

    © NZZ am Sonntag; 13.07.2008; Ausgabe-Nr. 28; Seite 23

    Der Pelz ist dünn geworden

    Francesco Benini

    Bald 13 Jahre ist Moritz Leuenberger nun im Bundesrat. Seit er seine Leidensmiene wieder trägt, wird im Bundeshaus über seinen Rücktritt spekuliert. Leuenberger wirkt amtsmüde, ist dünnhäutig. Aber wer hört seinen Reden noch zu, wenn er nicht mehr Bundesrat ist?

    Bundesrat Leuenberger leidet wieder einmal. Er trägt seine Verdrossenheit zur Schau, wirkt müde, abgekämpft, lustlos, und in Bundesbern wird eifrig spekuliert: Geht er jetzt? Erklärt er noch diesen Sommer seinen Rücktritt?

    Bis Ende 2007 hatte Leuenberger einen Grund, im Amt zu verbleiben. Er wollte verhindern, dass sein Departement in die Hände Blochers fällt. Mit dessen Abwahl ist die Gefahr gebannt. Warum aber harrt jemand nach bald 13 Jahren in der Landesregierung weiter aus, dem seine Aufgabe so viel Missvergnügen zu bereiten scheint, dass er aussieht wie das Leiden Christi?

    Aus dem Departement ist zu hören, es sei der Fluglärmstreit, der dem Chef an die Nieren gehe, nicht zum ersten Mal. Die Reaktionen auf die ablehnende Stellungnahme des Bundesamts für Zivilluftfahrt zum gekröpften Nordanflug fielen geharnischt aus. Aussergewöhnlich scharf ist die Kritik der Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer an die Adresse Leuenbergers, vernichtend das Urteil des Flughafens Zürich, und in Leuenbergers Büro stapeln sich Zuschriften aufgebrachter Bewohner der Anflugschneisen. Dass das eidgenössische Parlament 2003 den Staatsvertrag mit Deutschland zu den Anflügen auf Zürich ablehnte, ist Leuenbergers grosse Niederlage. Eine Abfuhr, die ihn tief kränkte und deren Folgen er bis heute nicht bewältigt hat.

    «Zeit, dass er abtritt»

    Dass Leuenberger in Teilen des Kantons Zürich der Buhmann ist, hat nicht in erster Linie damit zu tun, dass es ihm in den vergangenen fünf Jahren nicht gelang, mit Deutschland eine neue Regelung auszuhandeln. Schwerer wiegt, dass er den Leuten nie das Gefühl vermitteln konnte, er setze sich für ihre Anliegen ein. Deutschland liess eine vereinbarte Verhandlungsfrist verstreichen – von Leuenberger war nicht der Pieps eines Protests zu vernehmen. Passiv wirkt er bis heute, und in Süddeutschland höhnen Regionalpolitiker: «Die Schweiz hat den besten Verkehrsminister der Welt.»

    Es gehört zu den Konstanten der Leuenbergerschen Regierungstätigkeit, dass seine Teilnahmslosigkeit Fehlentwicklungen begünstigt, die er mit Notfalleinsätzen zu korrigieren sucht. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt vernachlässigt seine Aufsichtsaufgaben, beim Bau der Neat häufen sich die Kostenüberschreitungen, SBB Cargo kommt nicht vom Fleck und macht hohe Defizite: Leuenberger schaut lange zu, bevor er eingreift, Schuldzuweisungen verteilt und Köpfe rollen lässt. Der in Bundesbern angesehene Urner Ständerat Hansruedi Stadler (cvp.) sagt, Leuenberger gehe bei einigen wichtigen Dossiers «zu wenig früh an die Front». Er sollte sich bei wichtigen Geschäften früher einmischen. Leuenberger laufe zur Hochform auf – wenn er mit dem Rücken zur Wand stehe. Dann argumentiere er sehr stark.

    Für viele Parlamentarier ist das nicht gut genug. Sie werfen Leuenberger mangelndes Engagement vor und hoffen, dass er sich bald zurückzieht. Nationalrätin Gabi Huber (fdp.) erklärt, Bundesrat Leuenbergers Anwesenheit in der Verkehrskommission habe «Seltenheitswert». In der Rechtskommission erlebe sie das ganz anders, Bundesrätin Widmer-Schlumpf sei wie zuvor Bundesrat Blocher sehr präsent. Leuenberger wirke abgenützt, da scheine viel Frustration durch. Das Feuer fehle, er wirke wie jemand, der eine lästige Pflichtübung abwickle. «Wenn er an einer Sitzung erscheint, ist seine Ausdrucksweise oft launig. Das ist ab und zu originell, manchmal aber auch unpassend oder gar respektlos. Es ist an der Zeit, dass er abtritt.»

    Aus dem Umfeld Leuenbergers ist zu hören, dass der Magistrat zusehends dünnhäutig sei. «Er ist noch mimosenhafter, als er es früher schon gewesen ist», sagt jemand. Zwar ist das Klima im Bundesrat wieder besser, und die Zeiten sind vorbei, da Leuenberger nach Bundesratssitzungen mit Blocher so deprimiert war, dass er sich umgehend von Bern nach Zürich chauffieren liess und für den Rest des Tages nicht mehr gesehen wurde. Dafür verliert er jetzt die Fassung, wenn Fernsehmoderator Kilchsperger ihn als «schwulsten Schweizer Hetero-Promi» bezeichnet. Eine solche Nichtigkeit wird im Infrastrukturdepartement nicht beiseite gewischt, sie führt zu einer schweren Verstimmung beim Departementschef.

    Elefantengedächtnis

    Den Journalisten Hanspeter Guggenbühl, der an der Pressekonferenz des Bundesrats vom 21. Februar 2008 hartnäckig Nachfragen stellte, titulierte Leuenberger als «dumme Siech». Der Medienminister hat ein gespaltenes Verhältnis zu den Medien. Einerseits ist er bedacht auf eine positive Aussenwirkung, anderseits reagiert er unwirsch, wenn sein Schaffen nicht gewürdigt wird, wie er sich das vorstellt. Dass Bundesräte Kritik schlecht ertragen, ist nichts Ungewöhnliches, bei Leuenberger ist die Eigenschaft aber ausgeprägt. «Wenn Kritik aufkommt, fühlt er sich umzingelt von Leuten, die ihm nicht wohlgesinnt sind», sagt ein Weggefährte. Leuenberger habe ein Elefantengedächtnis. Er merke sich, wer ihn kritisiert habe. Wenn er diesen Journalisten begegnet, bemüht er sich, sie seine Verachtung spüren zu lassen.

    Kühl ist auch Leuenbergers Verhältnis zu seiner Partei. Die von ihm in die Diskussion gebrachte Idee einer Teilprivatisierung der SBB kam sehr schlecht an in der SP. Präsident Christian Levrat will die Partei auf einen prononcierten Linkskurs zurückführen, dafür ist Leuenberger nicht das richtige Aushängeschild. «Eine Liebe zwischen Levrat und Leuenberger ist nicht zu erkennen», sagt ein SP-Nationalrat. Verschiedene Sozialdemokraten nehmen Leuenberger jedoch in Schutz: Er strenge sich an in der Klimapolitik, und es sei nicht seine Schuld, dass der Bundesrat Aktionsprogramme zusammenstreiche und die CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel versenke. Auch der grünliberale Martin Bäumle sieht in Leuenberger einen Garanten dafür, dass umweltpolitische Anliegen in die Landesregierung eingebracht werden. Leuenbergers schärfster Kritiker, der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann, hat dafür nur Spott übrig. «In der Umweltpolitik ist die Schweiz ins Hintertreffen geraten», sagt er. Wenn man sehe, wie viele Windräder sich in Deutschland und Österreich drehten und wie wenige in der Schweiz, könne man Kopfweh bekommen. Leuenberger hätte sich im Bundesrat viel stärker einsetzen können für die Solarenergie, für Minergiebauten, aber es mangle ihm an Interesse und Leidenschaft.

    Tritt Leuenberger demnächst zurück? Sein Pressesprecher sagt, er wolle die Legislatur zu Ende führen – sie dauert bis 2011. Wer den Verkehrsminister kennt, weist darauf hin, dass er bestimmt nicht abtreten werde, wenn sein Abgang Thema in den Medien sei. Er wolle die Leute überraschen. Auch könne sich seine Gemütsverfassung schlagartig bessern, und er habe schon schwerere Zeiten durchgemacht.

    «Wenn er wüsste, was er tun soll, wäre er längst zurückgetreten», sagt eine andere Stimme im Departement. Leuenberger liebt es, Reden zu halten. Er gibt gerne den Intellektuellen, der über die Tagespolitik hinausdenkt. Er hat Bücher geschrieben, die Zweifel aufkommen lassen, ob es weit her ist mit seiner Intellektualität. Wenn Leuenberger nicht mehr Bundesrat ist, verlieren seine Auftritte augenblicklich an Bedeutung. Es spricht einiges dafür, dass er noch eine Weile Bundesrat bleibt. Und daran leidet und das Leiden der ganzen Welt zur Schau stellt.

  3. ‘@ kathrinb

    Sie bringen Simonetta Sommaruga ins Spiel. Sie wird tatsächlich seit Jahren oft als mögliche Nachfolgerin von Moritz Leuenberger genannt. Sicher scheint mir aber im Moment nur etwas: die kulturelle bzw. geografische Herkunft. Leuenbergers Nachfolger oder Nachfolgerin wird aus der deutschen Schweiz sein.

    Weitere Namen, die bei einem Rücktritt Leuenbergers sicher fallen werden: Claude Janiak (Ständerat BL), Markus Notter (Regierungsrat ZH), Jaqueline Fehr (Nationalrätin ZH), Hildegard Fässler (Nationalrätin SG), Werner Marti (Nationalrat GL).

  4. […] Erstens: Die SP trägt eine Mitschuld, dass ihre neue Bundesrätin Simonetta Sommaruga nicht das Uvek übernehmen kann. Sie hätte Moritz Leuenberger, der dieses Departement 15 Jahre lang führte, rechtzeitig auf einen geschickt gewählten Demissionstermin einschwören müssen. Bei einem ordentlichen Rücktritt auf Ende 2007 wäre das Uvek problemlos im Schoss der SP geblieben, ebenso vor zwei Jahren. […]

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