Mit Regierungsrat Markus Notters Rücktritt ist der Sesseltanz eröffnet

Publiziert am 01. Juni 2010

Markus Notter (sp) wird im nächsten Frühling zurücktreten. Damit ist die Ausgangslage der Zürcher Regierungsratswahlen klar, fast auf den Tag genau 10 Monate bevor sie stattfinden. Weitere Demissionen aus dem Feld der sechs bisherigen Rergierungsräte sind nicht zu erwarten.

Notters Ankündigung von heute Morgen markiert den Start für einen langen und harten Wahlkampf, der bis im Oktober 2011 anhalten wird. Die Zürcher Kantonalwahlen haben eine übergeordnete Stellung. Zum einen weil jeder fünfte Stimmberechtigte in diesem Land im Kanton Zürich wohnt. Zum anderen weil die übermedialisierten Zürcher Wahlen sechs Monate vor den eidgenössischen Wahlen stattfinden und grosso modo deren Resultate vorwegnehmen.

Im medialen Fokus aller kantonalen Wahlen stehen die Ausmarchungen für die Regierungen. Das gilt insbesondere auch im Kanton Zürich, nirgendwo sonst sind Wahlen so kompetitiv, nirgendwo sonst ist so viel Geld im Spiel. Entsprechend lohnt sich schon jetzt ein kräftiges Rühren im Kaffeesatz.

Natürlich will die SP ihren zweiten Sitz in der Regierung halten. Kronfavorit ist Nationalrat Daniel Jositsch. Er war im letzten Herbst bei der Regierungsratsersatzwahl angriffig und zugleich lustvoll unterwegs, und er überrollte seinen Kontrahenten Ernst Stocker (svp) mehrfach. Mit einem guten Ergebnis (45% der Stimmen) empfahl sich Jositsch für eine erneute Kandidatur. Wenn er kandidieren will, ist er nominiert. In der zweiten Reihe stehen Nationalrat Mario Fehr (Adliswil) und Kantonsrat Martin Naef (Zürich).

Mit Sicherheit wird der Präsident der Grünliberalen Schweiz, Nationalrat und Dübendorfer Finanzvorstand Martin Bäumle, antreten. Er wollte schon im letzten Jahr kandidieren, musste sich dem Muskelspiel der SP aber fügen. Bäumle war bislang die treibende Kraft der gerade einmal sechs Jahre jungen Partei, die von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt.

Nicht zum ersten Mal wittern die Grünen Morgenluft, sie möchten zurück in die Regierung, in der sie seit 2004 nicht mehr verteten sind. Im Vordergund dürften Nationalrätin und Kantonalpräsidentin Marlies Bänziger sowie Martin Graf stehen. Grafs Name wurde im Vorfeld der Ersatzwahl für Rita Fuhrer vom letzten Herbst gehandelt. Auch wegen knappen finanziellen Ressourcen entschieden die Grünen damals, auf einen kostspieligen Wahlkampf zu verzichten.

Graf wurde vor drei Monaten zum vierten Mal als Stadtpräsident von Illnau-Effretikon gewählt (mit einem 40-Prozent-Pensum). Auffallend ist allerdings, dass seine Popularität sinkt: 2002 holte er noch das beste Resultat aller Exekutivkandidaten, in diesem Jahr reichte es noch für Platz 5. Bei den Regierungsratswahlen 2007 erreichte Graf den guten 8. Platz, fast 7000 Stimmen vor Bäumle.

Die drei neuen Kandidaturen von Grünen, Grünliberalen und SP können zu einer enormen Dynamik im Mitte-links-Spektrum führen. Das wiederum kann den bisherigen CVP-Regierungsrat Hans Hollenstein, dessen Hausmacht nur rund 7 Prozent umfasst, zerreiben. Im bürgerlichen Block von FDP und SVP (“4 gewinnt”) wurde er bereits 2007 nicht aufgenommen. Diese Konstellation macht ihn zum Wackelkandidaten der Gesamterneuerungswahlen 2011.

Bleibt die SVP: Sie hat einen Lernprozess hinter sich und weiss, dass sie nur gemässigte Kandidaten in die Regierung bringt. Ob es nach Markus Kägi (2007) und Ernst Stocker (2009) sogar für einen dritten Regierungsrat reichen könnte, ist komplett offen. Ein dritter Kandidat könnte auch bei bürgerlichen Wählern als überheblich oder provokativ wahrgenommen werden.

In jedem Fall: Der Sesseltanz ist eröffnet. Eben nicht nur um einen oder zwei Zürcher Regierungsratssitze. Der Startschuss für die nächsten 18 Monate Wahlkampf ist mit Notters Rücktritt gefallen.


Wähleranteile der Parteien bei den Kantonsratswahlen 2007
sowie Anzahl Regierungsratssitze:

– CVP 7,2% (1 Regierungsrat)
– FDP 16% (2)
– SVP 30,5% (2)
– EVP 5,2% (0)
– Grünliberale 5,8% (0)
– SP 19,5% (2)
– Grüne 10,4% (0)

Fotos:

– Markus Notter: keystone
– Daniel Jositsch: beobachter.ch
– Martin Bäumle: news.ch
– Marlies Bänziger: gruene.zh
– Martin Graf: wahlen.zh
– Hans Hollenstein. cvp.zh

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