Natalie Rickli und die Medien

Publiziert am 05. Februar 2013

Inland - SRF Projekt Treffpunkt BundesplatzNatalie Rickli (svp) ist zurück. Am letzten Sonntag verkündete sie auf Twitter:

“Back in Politics – back on Twitter.”

Dazu verlinkte sie auf das grosse Interview mit ihr im “Sonntagsblick”. Dort und tags darauf in einem Porträt der SRF-Sendung “Puls” präsentiert sich die Zürcher Nationalrätin von einer Seite, die wir von ihr bislang nicht kannten: verletzlich und differenziert. Der Kontrollfreak, der seine Privatsphäre zuvor rigoros abgeschirmt hatte, spricht erstmals über Persönliches.

Rickli wäre nicht Rickli, wenn sie ihr Comeback nicht sorgsam orchestriert hätte. Allerding gibt es keine Zweifel: Jeder Sonntagstitel und viele andere Medien hatten sich in den letzten Wochen auch bemüht, ein exklusives Interview mit ihr in die Welt setzen zu können. Vor diesem Hintergrund hat die Kritik an ihrem PR-Coup, etwa im “Tages-Anzeiger”,  etwas Verlogenes.

Was wären Ricklis Optionen gewesen:

– Eine Medienkonferenz einberufen? Das hätte ihr mediale Schelte eingetragen. (“Völlig überheblich!”)

– Über Facebook und Twitter vermelden, dass sie “wieder da” ist, um die folgenden 24 Stunden 80, 100 oder noch mehr Interviews zu geben? Damit wäre sie bereits wieder ins alte Fahrwasser geraten, was man auch kritisiert hätte.

– Am ersten Sessionstag (4. März) wieder im Parlament auftauchen, um dann von den Medienschaffenden belagert zu werden? Der Rummel wäre unkontrollierbar geworden.

Rickli wäre nicht Rickli, wenn sie im über vier Seiten laufenden Interview nicht auch politisch gezeuselt hätte. Eine exemplarische Passage:

Was mich in den letzten zwei Jahren frustriert hat, ist die Tatsache, dass demokratische Volksentscheide nicht umgesetzt werden. Das Schweizer Volk hat im November 2010 Ja gesagt zur Ausschaffungsinitiative. Passiert ist bis heute nichts, im Gegenteil.”

Der Journalist versäumte es, nachzuhaken oder die Aussage in einen grösseren Kontext zu stellen. Womöglich war es ihm auch egal.

Interessant ist im Weiteren, wie der “Sonntagsblick” sein Exklusiv-Interview vermarktete: Er liess es am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr über das Presseportal von der News Aktuell AG, einer Tochter der Schweizerischen Depeschenagentur sda, verbreiten.

Dieses Angebot ist kostenpflichtig und garantiert eine hundertprozentige Abdeckung: Sämtliche Schweizer Medien erhalten diesen Original-Text-Service von News Aktuell. Er wird von Verbänden, Unternehmungen und teilweise auch der Bundesverwaltung in Anspruch genommen. Von den Medien selbst greift einzig der “Sonntagsblick” alle paar Monate einmal auf dieses Angebot zurück.

Beim Rickli-Comeback war die Nutzung des Presseportals ein Must. Das Aushängeschild der SVP bringt alles mit, was es im Boulevardjournalismus braucht. Diese Ausgabe wird sich überdurchschnittlich gut verkauft haben.

Der Mix aus Prominenz, Parteizugehörigkeit, Aussehen und Alter, ergänzt mit der Begabung, in 20-Sekunden-Soundbites jedes Thema auf eine simple Message einzudampfen, löst bei vielen Journalisten einen Reflex aus; sie müssen reagieren. Sie, die von der Politikerin Rickli wenig halten, machten sie zu einem Medienstar.

Diese Kritik ist zugleich auch Selbstkritik: Als Blogger und Expertli nahm ich schon mehrfach Einschätzungen über Ricklis Wirken vor.

 

Foto Natalie Rickli: bernerzeitung.ch

 

3 Replies to “Natalie Rickli und die Medien”

  1. Herr Balsiger,

    Ihre Einschätzung über die Rückkehr von Natalie Rickli hat einen schalen Nachgeschmack.

    Ich galube wie sie es auch immer gemacht hätte, alles würde auseinadergenommen und kritisiert. Die richtige Rückkehr für sie gibt es nicht.

    Ich glaube das Wort Neid kann man hier verwenden, dass gewisse Journalisten nicht auch die Möglichkeit gehabt haben ein Interview mit Natalie Rickli zu führen.

    Es ist ein Jammer, dass die Menschen sich nicht freuen können, dass Natalie Rickli wieder gesund ist. Sie hat schlimmes durchgemacht; und es braucht sehr viel Mut sich so zu outen!

    All die Negativberichte schmälern unsere grosse Freude nicht über der Rückkehr von ihr. Das Vorgehen war genau richtig! Ich bin stolz auf Natalie, sie ist nicht nur eine gute, tolle, intelligente Politikerin, sondern auch eine wundervolle Frau. Wer sie kennt weiss wovon ich spreche. Wo Licht ist ist auch Schatten.

    Ich wünsche Natalie Rickli eine Welt in der sie sich wohlfühlen kann damit ihre Gesundheit nie mehr so arg gefärhdet ist! Die Medien sind die grössten Gesundheitsrisiken!

    Herr Balsiger, meine Stellungnahme zu Ihrem Bericht soll aufzeigen das ein “Mensch” hinter dieser Geschichte steht!

    Ein Freund von Natalie Rickli.

  2. ‘@ Erich Rüesch

    Danke für Ihren Kommentar. Ihre Einschätzung bezüglich der Rückkehr deckt sich mit meiner. Soweit ich es überblicken konnte, war ein Grossteil der Online-Kommentare gegenüber Natalie Rickli positiv, auch viele Leute, die politisch anderswo stehen, wünschen ihr nichts Schlechtes.

    Dass Sie die Medien als “grösstes Gesundheitsrisiko” betrachen, finde ich interessant. Medienkompetenz wird heute an vielen Schulen vermittelt, andere eignen es sich autodidaktisch an. Regelmässig und bewusst offline gehen ist wichtig. Ich tue das auch.

  3. Herr Balsiger

    Leider gibt es sehr viele Kommentar-Schreiber die kein gutes Haar an Natalie Rickli lassen. Die Art der Rückkehr, sich so in Szene zu setzen, sich wieder in den Vordergrund zu stellen, sie hat sich überhaupt nicht geändert, die ist bald wieder dort angelangt wie sie vor dem Burnout war usw.!

    Diese Leute haben wirklich keine Ahnung wovon sie sprechen. Sie kennen Natalie Rickli wenn möglich nicht einmal und bilden sich solche negativen Urteile; mir unbegreiflich.
    Die Medien schuld?

    Ich kenne Natalie Rickli sehr gut und kann mit Bestimmtheit sagen, sie macht ihren Weg und schafft es, nie mehr so krank zu werden.

    Nochmals, ich, wir sind sehr froh das Natalie Rickli wieder voll da ist und es ihr gut geht,
    das ist das Wichtigste. Ich wünsche ihr viel Erfolg in allen Bereichen.
    Die Medien sind sehr nützlich, können aber auch vernichtend, schädigend und brutal sein.

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