“News” kommt – wer muss gehen?
Publiziert am 04. Dezember 2007Morgen erscheint erstmals die neue Pendlerzeitung “News”. Sie wird von “Tages-Anzeiger”, “Berner Zeitung” sowie der “Basler Zeitung” herausgegeben. Sie drängt in einen Markt, der völlig übersättigt ist. Worum geht es also bei dieser Neulancierung? Eine Auslegeordnung.
Die Gratiszeitungen heissen:
– “20 Minuten” (mit regionalen Splitausgaben Zürich, Basel, Bern, Luzern, Ostschweiz und Romandie)
– “Le Matin bleu”
– “heute” (wird als einzige Zeitung der Schweiz jeweils ab ca. 16 Uhr aufgelegt)
– “.ch” (seit September auf dem Markt)
– “cash daily”
“20 Minuten” ist die bislang einzige Gratiszeitung, die Profit macht. Und wie: Sie hat inzwischen die höchste Auflage aller Schweizer Zeitungen erreicht. Das freut die Werbewirtschaft, die stark auf diesen Titel setzt. Die Insertionstarife von “20 Minuten” konnten deshalb schon mehrfach angehoben werden. Eine Erfolgsgeschichte – ökonomisch.
Zu den Verlierern zählen die so genannten Bezahlzeitungen. Sie haben in den letzten Jahren gesamthaft 10 Prozent ihrer Auflagen verloren. Ergatterten sie 1993 noch 50 Prozent des Werbekuchens, waren es im Jahr 2005 noch 34 Prozent.
Für die Verleger ist darum klar: Sie müssen im Gratiszeitungsmarkt mitmischen – um jeden Preis. Es geht nicht um das wichtige Gut namens Information, sondern darum, Geld zu machen bzw. zu überleben. Mit den Gratiszeitungen sollen die Bezahlzeitungen quersubventioniert werden. Dass die Rechnung nicht aufgehen kann, liegt auf der Hand. Eine Vielzahl der Inserate, die wir bei unserem täglichen Zeitungskonsum überblättern, sind heute nicht mehr bezahlt.
Die Ankündigung von “News” brachte Peter Wanner in Rage. Der Chef der AZ Medien Gruppe (“Mittelland Zeitung”, Radio Argovia, Tele M1) sagte am 1. November 2007 in einem Interview mit seiner Zeitung, dass “News” keine publizistische Funktion habe, sondern lediglich dazu diene, “.ch” zu vernichten: “Gleichzeitig soll der ‘Mittelland Zeitung’ im Werbemarkt Schaden zugefügt werden. ‘News’ ist nichts anderes als das Zerstörungsschiff der Kriegsflotte von Tamedia-Chef Martin Kall. Ich persönlich halte es für höchst bedenklich, wenn nun in der Medienbranche eine solche Bedrohungs- , Einschüchterungs- und Zerstörungspolitik Einzug hält.”
Diese Vermutung hört man oft in der Branche: “News” soll die Gratiszeitung “.ch” von PR-Berater Sacha Widgorovits verdrängen. Verschiedentlich wurde darauf spekuliert, dass alleine die Ankündigung von “News” ausreicht, damit Widgorovits das Handtuch wirft. Das ist nicht passiert. Bislang.
Die zweite Sorge Wanners: Die Knautschzone zwischen Zürich, Bern und Basel ist wirtschaftlich interessant, allein im Kanton Aargau leben rund 550’000 Menschen. Deswegen will “News” in diesem Dreieck den Quasi-Monopolisten, die “Mittelland-Zeitung”, herausfordern. Peter Wanner hat bereits angekündigt, mit einem “innovativen Produkt” gegen den Markteintritt von “News” zu kämpfen. Ich vermute, dass der Regionalteil, der der “Aargauer Zeitung” im Tabloidformat in 10 Splitversionen eingesteckt wird, die Antwort Wanners sein wird. Gratis aufgelegt.
Das wird ein regelrechter Mehrfrontenkrieg: “News” vs “.ch”, “News” vs Wanners neues Produkt, alle gegen alle. Die Frage ist: Wem geht zuerst der Atem aus? Und auch Ringiers “cash daily” und “heute” sind noch lange nicht über den Berg. Weiter: Wer soll das alles lesen – oder wenigstens durchblättern?
In einem grösseren Kontext stellt sich eine weitere Frage: Was geschieht mit der “Basler Zeitung”? Wird sie von Tamedia geschluckt oder von Wanners “Mittelland-Zeitung”? Gut möglich, dass wir bereits im nächsten Jahr die Antwort erhalten werden.
[…] Die grosse Frage, die sich nun stellt: Was geschieht mit der Pendlerzeitung “News”, die von Tamedia verlegt wird? Sie gilt als Antwort auf die Lancierung von “.ch”. Dass “News” vorab den “Tages-Anzeiger”, aber auch “20 Minuten” kannibalisiert, ist eine Tatsache. Das wird bei Tamedia in Kauf genommen, weil es um das BIG Game geht. […]