Nicht noch ein zweites Mal ein 49.7%-Fiasko

Publiziert am 22. November 2018

Vor fünf Jahren stritten wir lange und heftig über die Masseneinwanderungsinitiative (MEI). 50.3 Prozent stimmten ihr am 9. Februar 2014 schliesslich zu. Dieser Abstimmungstermin brannte sich bei vielen Menschen ins Gedächtnis ein. «Never again!» haben sie sich damals im «49.7-Lager» vorgenommen.

Tausende entschuldigten sich noch am Abstimmungssonntag auf Facebook bei ihren internationalen «friends», empört, wortreich und weinerlich, oft in englischer Sprache. Wie viele von ihnen die Abstimmung verpennt haben, ist nicht bekannt.

Die sogenannte «Selbstbestimmungsinitiative» (SBI) ist eine Art Zwillingsschwester der MEI: Auch die SBI ist schwammig formuliert, sie setzt Bewährtes aufs Spiel und schadet der Exportnation Schweiz enorm. Zudem beschneidet sie Grundrechte, die für Minderheiten und Einzelpersonen von zentraler Bedeutung sind.

Am 9. Februar 2014 betrug die Differenz gerade einmal 19’300 Stimmen. Am nächsten Sonntag geht es wieder knapp aus: Ich schätze, dass die Stimmbeteiligung zwischen 52 und 55 Prozent beträgt. Die Kernstädte werden die SBI sehr deutlich ablehnen, auf dem Land hingegen ist die Zustimmung gross. Matchentscheidend könnte die Agglomeration werden: Drehen Arlesheim, Dietikon, Emmen, Zollikofen, Gossau (SG) usw. ins Ja- oder ins Nein-Lager? Ein zweites Mal bei einem Nein-Anteil von 49.7 Prozent steckenbleiben, wäre ein Fiasko. Wir haben es in der Hand.

Die Umsetzung der MEI wurde begleitet von einer dreijährigen Knatschphase. Sie kann auf zwei Hauptsätze eingedampft werden: «Der Volkswille wird nicht umgesetzt!», lärmten die Initianten. «Sagt endlich, wie viele Leute pro Jahr einwandern dürfen!», konterte die Gegenseite. Das hat Risse in unserer Gesellschaft hinterlassen.

Ein letzter Punkt betrifft den Stil: Kritik sollte sich meiner Meinung nach stets auf die Vorlage konzentrieren, nicht auf die Absender. Gerade in diesem Abstimmungskampf zeigt sich allerdings, dass die Supporter der SBI immer wieder als «dumm», «ewiggestrig», «Nazis» usw. betitelt werden. In gewissen Fällen kommt das der Realität vielleicht nahe, ist aber überheblich und ausgrenzend. Wer jetzt einwendet, die Anderen hätten angefangen – was zwar stimmt -, erinnert sich hoffentlich an die tränenreichen Streitereien im Sandkasten.

Auge um Auge, Zahn um Zahn – wer Auseinandersetzungen so durchzieht, macht die politische Kultur kaputt. Als Teil der neuen Bewegung Courage Civil werde ich mich stets für Anstand und Respekt starkmachen. Gerade bei hart umkämpften Abstimmungsvorlagen.

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