Oskar Freysinger: Gestern Showstar und Schaumschläger, heute Staatsrat

Publiziert am 18. März 2013

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VON MARK BALSIGER

An diesem Resultat gibt es nichts zu deuteln: Oskar Freyinger distanziert auch im zweiten Wahlgang der Walliser Staatsratswahlen (Regierungsrat) alles Bisherigen klar. Sein Name steht auf fast jedem zweiten Wahlzettel. Das ist eine bravouröse Leistung, zumal sie in einem Kanton zustande kam, in dem die allmächtige C-Partei bislang nach Belieben entschied, was Sache ist und wer zu den Futtertrögen vorgelassen wird.

Das Machtkartell der CVP ist damit aufgebrochen, Freysinger war als bekanntester Kopf der SVP der Rammbock, ohne als solcher agiert zu haben. Im Gegenteil: Er ist charmant, charismatisch und eloquent. Er liest mit seinen Schülern Prosa von Rilke und zupft die akustische Gitarre. Des Weiteren nimmt er sich selber nicht immer ernst und pflegt einen souveränen Umgang mit Kritik. Gäbe es auch noch für die Medientauglichkeit ein Ranking, Freysinger wäre seit seiner Wahl in den Nationalrat 2003 stets auf dem Podest gelandet.

Was dem frischgebackenen Staatsrat abgeht: Er hat keine ideologische Verankerung. Zu Beginn seiner politischen Laufbahn war er CVP-Mitglied. Aber weil dort der Lift nach oben besetzt war, wechselte er geschmeidig und zum richtigen Zeitpunkt das Parteibuch. Das haben andere Politiker vor ihm auch schon getan, vor 30 Jahren beispielsweise der damalige SRG-Ansager Maximilian Reimann, der bei der Aargauer SVP schnell einmal Nationalrat, später sogar Ständerat wurde.

Hätte im Wallis der Neunzigerjahre eine andere Partei als die SVP kräftig Auftrieb erhalten, Freysinger wäre ihr begetreten. Das nennt man Opportunismus, ist in der Politik aber weit verbreitet. Der Mittelschullehrer ist ein Gambler. Wo er mitwirkt, sind Wirbel und Spektakel garantiert. Würde man aber Bundeshausjournalisten fragen, in welchen Kommissionen Freysinger tätig ist, erntete man ein Schulterzucken. Man erinnert sich an kein Geschäft, welches er entscheidend geprägt hätte. Die politische Knochenarbeit interessiert ihn nicht. Mit seinem rhetorischen Talent kann er bei Interviews und TV-Debatten bescheidenste Dossierkenntnisse kaschieren.

Freysinger liebt das Scheinwerferlicht, den Schlagabtausch, die Provokation. In dieser Disziplin ist er ein Meister, obwohl er in der Vergangenheit den Bogen gelegentlich überspannt hat. Etwa als er bei islamophoben Kreisen in Frankreich und Deutschland auftrat, den niederländischen Populisten Geert Wilders ins Wallis holen wollte oder sich über Nacht mit einem schlüpfrigen Gedicht (Bortoluzzi-Fuzzi) schweizweit bekannt machte. Dieser Auftritt anno 2002 und sein Übername als “Pissoir-Poet” blieben bis heute an ihm haften.

Im Walliser Staatsrat dürfte Freysinger die Erziehungsdirektion übernehmen müssen. Dort nützen ihm seine bühnenreifen Auftritte irgendeinmal nicht mehr. Stattdessen zählt, was er in Bildung und Kultur zustande bringt. Dafür braucht es profunde Dossierkenntnisse sowie die Befähigung, zuzuhören und Allianzen zu schmieden. Es ist möglich, dass Freysinger der Wechsel vom Showstar zum Staatsrat gelingt. Vielleicht wird er aber auch geröstet von den FDP-Radikalen, die wegen ihm aus der Regierung flogen.

 

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Foto Oskar Freysinger: keystone

One Reply to “Oskar Freysinger: Gestern Showstar und Schaumschläger, heute Staatsrat”

  1. Interessanter Artikel. Verschwiegen werden hingegen seine intensiven Szene zur rechtsextremen Szene (Front National usw.) in Frankreich. Dass ein solcher Politiker in die Walliser Exekutive gewählt wird, ist mehr als bedenklich.

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