Rainer Stadler zur Lage der Medien

Publiziert am 03. November 2010

Die Medien sind seit ein paar Jahren in einem tiefen strukturellen Wandel. Die Debatte darüber gewann seit der Publikation von Kurt Imhofs neuem Buch “Qualität der Medien” im Sommer an Intensität und Farbe.

Heute ist diese wichtige Debatte um einen Beitrag reicher geworden. Er stammt von NZZ-Redaktor Rainer Stadler, dem letzten Mohikaner, der sich schwerpunktmässig mit Medien auseinandersetzen darf und das seit vielen Jahren hervorragend macht.

Mangels Zeit bleibt ein Posting mit meinen Gedanken zum Thema aus, pardon.

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Nach Rainer Stadler (In Medias Ras) meldet sich heute Nick Lüthi, auch er Medienjournalist und bis vor kurzem Chefrerdaktor des Magazins “Klartext” zum Thema. In seiner “Bund”-Kolumne In Medias res:

Wer, wenn nicht er?

Lange hats gedauert. Doch jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Im August wurde das «Jahrbuch Qualität der Medien» veröffentlicht, fast drei Monate später nimmt nun einer ausführlich Stellung, der sich offenbar von den wenig schmeichelhaften Befunden der Forscher zur Medienqualität in der Schweiz angesprochen fühlt.

Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident der Tamedia AG, die auch den «Bund» herausgibt, hat sich die Mühe genommen, der «Sorge über den Untergang des Qualitätsjournalismus» entgegenzuhalten, und seine Sicht der Dinge im «Magazin» und auf Tagesanzeiger.ch festgehalten. Das Plädoyer gegen das Gerede von einer Medienkrise kommt aus berufenem Munde. Schliesslich dirigiert Supino eines der grössten Medienunternehmen der Schweiz mit Tageszeitungen, Gratiszeitungen und Online-Plattformen.

Was sagt der mächtige Medienmann? Alles halb so schlimm und vor allem ein Problem der Wissenschaft und ihrer Optik. Um die Qualität der Medien stehe es eigentlich ganz gut, und die Herausgeber des Jahrbuchs verkannten die wahren Leistungen von Gratiszeitungen und journalistischen Online-Angeboten. Dank «20 Minuten» läsen heute viel mehr Leute eine Zeitung als noch vor zehn Jahren, und da auch ausländische Mitbürger das Angebot nutzten, leiste die Pendlerzeitung gleich auch noch einen Beitrag zur Integration. Und die Nutzer von Online-Medien seien besser gebildet als die Leser von Tageszeitungen.

Für Supino ist die Medienwelt in Ordnung. Kritik daran sieht er in der Tradition eines «ewigen Kulturpessimismus», der in Umbruchphasen stets schnell zur Hand sei. So weit – so gut und Ende der Durchsage? Nicht ganz.

Der Tamedia-Chef sieht sehr wohl Gefahren und Risiken für den Journalismus. Etwa vonseiten der PR-Industrie, und nennt als Beispiel die achthundert Medienspezialisten der Bundesverwaltung, die einen immer stärkeren Einfluss auf die öffentliche Meinung gewännen. Dem hätten die Medien wenig bis nichts entgegenzusetzen. «Zum Vergleich: Die in der Schweiz führende Inland- und Bundeshausredaktion von ‹Bund› und ‹Tages-Anzeiger› beschäftigt fünfzehn Köpfe.» Ein interessanter Vergleich, zumal er von jener Person stammt, die es in der Hand hätte, dieses Missverhältnis zugunsten des Journalismus zu verändern. Ob die beiden Zeitungen 15 oder 50 Redaktoren im Bundeshaus beschäftigen, entscheidet letztlich Pietro Supino.

Auch in anderer Hinsicht trägt der Tamedia-Chef letztlich eine Mitverantwortung für die von ihm monierte Übermacht der PR-Industrie. In den letzten Jahren haben gleich dutzendweise Redaktoren von «Tages-Anzeiger» und «Bund» dem Journalismus den Rücken gekehrt und als Kommunikationsspezialisten in die öffentliche Verwaltung gewechselt. Manche von ihnen, weil sie anständige Arbeitsbedingungen vermissten und Redaktionen, die mit angemessenen Ressourcen ausgestattet sind. Dass Supino nun genau diese beiden Elemente als Voraussetzung für Qualität im Journalismus nennt, gibt möglicherweise zu Hoffnung Anlass. Denn wer, wenn nicht der Verleger, kann solche Idealbedingungen schaffen?

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