TCS tappte Bastien Girod in die Falle

Publiziert am 16. Juni 2008

Bastien Girod, der 27-jährige Nationalrat der jungen Grünen, ist ein cleverer Campaigner. Unvergessen ist seine Aktion im letzten Sommer, die er mit einer Handvoll Kolleginnen und Kollegen durchzog. Ihre (Nicht-)Striptease vor einem Zürcher Polizeiposten ging durch alle Medien. Das war Wahlkampf wie aus dem Lehrbuch.

Girod mutierte zum Liebling der Medien, was viele andere Nationalratskandidierende mit Neid zur Kenntnis nehmen mussten. Medienaufmerksamkeit ist einer der entscheidenen Faktoren im Wahlkampf, Bastien Girod wurde am 22. Oktober 2007 gewählt.

Wie die “SonntagsZeitung” gestern publik machte, will der Touring-Club der Schweiz (TCS) die parlamentarische Immunität des Neo-Nationalrats aufheben. Grund: Girod soll mit seiner Kampagne für die Stopp-Offroader-Initiative Urheberrechte verletzt haben. Die Ähnlichkeit der Sujets ist Teil seiner Strategie, aber urteilen Sie selbst:

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Bastien Girod droht eine Stafanzeige wegen Verletzung des Urheberrechts und unlauterem Wettbewerb. TCS-Sprecher Stephan Müller wird heute so zitiert: “Herr Girod sind alle Mittel recht, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Er hat uns auf billige Weise kopiert. Wir beharren auf unserem Recht.”

Müller hat in zweifacher Hinsicht Recht. Plagiat ist Plagiat. Bloss: Nur weil der TCS beantragt, Girods parlamentarische Immunität aufzuheben, schaffte es diese Geschichte überhaupt in die Schlagzeilen. Und das war zweifellos die Absicht von Bastien Girod. Für die Stopp-Offroader-Initiative fehlen nämlich noch rund 10’000 Unterschriften. Auf Ende Juni müssen sie beisammen sein. Die Schützenhilfe des TCS ist Gold wert, er tappte Girod in die Falle.

Diese an sich amüsante Story, die heute in praktisch allen relevanten Zeitungen der deutschen Schweiz aufscheint, ruft den Schweizerinnen und Schweizern die Initiative wieder in Erinnerung. Das ist ein erster und wichtiger Schritt. Die Unterschriften bringt man allerdings fast nur auf der Strasse zusammen, Websites und Unterschriftenbogen, die etwa in Zeitschriften eingesteckt werden, helfen kaum weiter. Girod & Co müssen nochmals kräftig in die Hände spucken.

P.S. Natürlich habe ich auch etwas zu bemäkeln: Girod ist auf seinem neusten Sujet wieder zum Nationalratskandidaten geworden. Die URL www.stopphumorloseautoverbände.ch, die mitunter in Umlauf gebracht wird, führt ins Leere. Kleine Unterlassungen, gewiss.

Fotos:

– www.jungegruene.ch/zh
– www.bastiengirod.ch
– www.persoenlich.com

12 Replies to “TCS tappte Bastien Girod in die Falle”

  1. Besten Dank fürs Weitertragen der Kampagne, es scheint alles nach Plan zu laufen :-))

    Selbst die künstliche Panikmache mit dem Termin “Ende Juni” wird überall ohne nachzuprüfen weiter verbreitet. (In Wirklichkeit läuft die Unterschriftensammlung erst Ende August ab. Zur Not kann also noch mehr als einen Monat lang gesammelt werden und zwar dank der vielen anstehenden Festivals zur bestmöglichen Jahreszeit.)

    Im Grunde schaut’s aber nach einer Win-Win-Situation aus. Auch der TCS kommt zu seinen few minutes of fame und kann seinen assoziierten Bleifusstölpeln zeigen, dass er ihre Interessen ordentlich vertritt. Wäre es dem Club tatsächlich ums Urheberrecht gegangen, hätte er wohl auch gegen Adèle Thorens und Antonio Hodgers geklagt, die beiden anderen neu gewählten VertreterInnen der Grünen, die mit verschränkten Armen und Stopp-Offroader-Signet Wahlwerbung machten.

  2. ‘@ Andreas Kyriacou

    Von einer künstlichen Panikmache kann keine Rede sein. Es ist bekannt, dass die Unterschriftensammlung im August abläuft. Aber ebenso weiss man aus Erfahrung, dass viele Gemeinden zum Teil mehrere Wochen brauchen, bis sie die Unterschriften beglaubigt haben. Deswegen bläst der Verein ja zur Schlussoffensive. Die erste Juliwoche ist zugleich die letzte Sammelwoche.

    Das wird eng mit den erforderlichen 100’000 Unterschriften, und das wiederum wirft Fragen auf:
    1. Wie engagiert wurde diese Initiative bislang geführt?
    2. Wird sie von einer breiten Bevölkerung als wirklich relevantes Anliegen wahrgenommen?

  3. ‘@Mark Balsiger

    Klar, das Initiativkomitee muss von einem frühen Termin sprechen, um AktivistInnen zu mobilisieren. Verdankenswerter Weise haben die Zeitungen den Juni-Termin nie hinterfragt. In Wirklichkeit ist aber natürlich noch etwas mehr Luft drin, da die Kanzleien der grossen Städte bei Beglaubigungen in aller Regel fair spielen. Wenn’s zeitlich eng wird, wird man sich ohnehin darauf beschränken müssen, die grossen Gemeinden für den Schlussspurt anzugehen. Denen kann man im Notfall auch zwei Wochen vor Sammelende noch einen Stapel Unterschriftenbögen vorbeibringen.

    Zu den Fragen: Dass eine Jungpartei eine Initiative zustande bringt, ist soweit ich weiss, ein Novum. Die personellen und vor allem finanziellen Ressourcen der Initianten sind ja weiss Göttin beschränkt, deshalb finde ich das Erreichen der 100’000er-Marke sehr beachtlich. Zumindest bei den zustande gekommenen Initiativen ist die Anzahl eingereichter Unterschriften zumeist wohl eher ein Abbild der finanziellen Mittel der Initianten als der politischen Relevanz des Anliegens. Die grosse Ausnahme dürfte die “Stop F/A-18-Initiative” gewesen sein. (Natürlich hoffe ich, dass das Nachfolgeprojekt erneut eine halbe Million UnterstützerInnen findet…)

  4. Demokratie ist die gleich verteilte Teilhabe an der Macht.
    Wenn das Buhlen um Aufmerksamkeit den Kampf um politische Konzepte und Ideen verdrängt, dann werden Ideen zur Gesellschaft zur Nebensächlichkeit – die Demokratie verkommt zur (Teil-) Diktatur jener, welche über die entsprechenden Instrumente verfügen. Aus dieser Perspektive ist der Unterschied zwischen Grünen und der SVP marginal. Vielleicht – und dies ist tröstlich – heben sich ja die Extreme wieder gegenseitig auf.

  5. ‘@open society
    Einen klitzekleinen Unterschied zwischen SVP und Grünen gibt es schon: Einen dreistelligen Millionenbetrag, der jährlich für Politagitation zur Verfügung steht.

    Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, welche Instrumente der Grünen diktaturbegünstigend sein sollen. Aus meiner Sicht ein ziemlich kruder Vorwurf.

    @Mark Balsiger
    Damit hat’s auch der TCS ein zweites Mal in die Schlagzeilen geschafft, just in dem Moment, wo er ein paar Politforderungen aus der Wühlbox der Autopartei feilbieten will. Ein Zufall? Ich bezweifle es.

  6. Da wurde eine hoch spannende Diskussion angerissen, beginnend mit der Provokation von open society: Grüne und SVP, was macht den Unterschied aus? Ich wünschte mir eine Vertiefung, kann allerdings im Moment keinen Beitrag dazu leisten, weil ich gleich weg muss.

    Sicher ist für den Moment einzig: in einer dreistelligen Millionenhöhe bewegt sich das Budget der Volkspartei sicher nicht. Das ist Stimmungsmache, die losgelöst von jeder Faktenlage losgetreten wird. Das weiss auch Andreas Kyriacou – schade, dass Sie, pardon die direkte Kritik, trotz viel Brain und Engagement zwischenhindurch auf das Bashing-Niveau, das in vielen Blogs Usus ist, absinken. Das reduziert bloss die Glaubwürdigkeit.

  7. ‘@Mark Balsiger
    Ok, “jährlich” passt wohl nicht, da 2007 auch für die SVP ein Ausnahmejahr war. Eines, in dem sich allerdings ganz schön was zusammenläpperte. 16.4 Millionen gab die SVP Schweiz nach Schätzungen des Instituts für Strategie und Unternehmensökonomik der Universität Zürich für Werbung zu den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst aus. Im Nachgang zu den Wahlen wurde gemutmasst, dass Kantonalparteien und Kandidaten noch einmal mindestens diese Summe aufgeworfen hatten. Aus Zürcher Sicht scheint dies absolut nachvollziehbar.

    Daneben warf die SVP auch grosszügig fürs “gewöhnliche Politgeschäft” mit Geld um sich. Wir erinnern uns: Ihre Ausschaffungsinitiative wurde in alle Haushaltungen verteilt und von einer grossen Inseratekampagne begleitet. Auch die Minarett-Initiative wurde wohl mit viel SVP-Geld gepusht, auch wenn die Partei offiziell nicht Urheberin ist. Und die SVP war letztes Jahr als Wortführerin für die Kampagne zugunsten der IV-Reform mit Inseraten stark präsent.

    2007 fanden zudem in mehreren Kantonen Wahlen statt. In Zürich wurde, so wird erzählt, die “Vier gewinnt”-Kampagne hauptsächlich von der SVP finanziert, Wirtschaftsverbände und FDP trugen offenbar vergleichsweise wenig bei. Die Propagandamaschinerie für die Zürcher Parlamentswahlen war immens. Kantonale Wahlen gab’s auch in BL, LU, VD und FR. Überall trat die SVP grossspurig an. Für kommunale Wahlen und Abstimmungen wurde wohl vergleichsweise wenig ausgegeben. Aber wenn die SVP auffallen wollte, galt auch hier: Lieber klotzen als kleckern, wie bei der Kampagne gegen das Breitbandnetz des Zürcher ewz.

    Beginnt man die Rechnerei mit den Ausgaben für die Neinkampagne zur Ost-Zusammenarbeit vom November 2006, ist das Erreichen eines dreistelligen Millionenbetrages innert Jahresfrist wohl nicht unrealistisch, besonders, wenn man auch die Fixkosten für Sekretariate und sonstige Infrastruktur hinzuzählt.

    Und ja natürlich: Die Grünen haben auch Geld ausgegeben: 300’000 Franken standen der nationalen Partei für die eidgenössischen Wahlen zur Verfügung. Auch hier darf von einer Verdoppelung oder etwas mehr durch kantonale und Kandidatenbeiträge ausgegangen werden. Und ja, sogar die Grünen können sich ein paar TeilzeitsekretätInnen, bescheidene Büroräumlichkeiten und sogar noch den einen oder anderen Flyer leisten. Die Differenz zur SVP schmälert sich dadurch aber nicht wesentlich…

  8. ‘@ Kyriacou
    Sorry für die späte Antwort und herzlichen Dank für die Budgetzusammenstellung. Im Grunde ist sie eine Bestätigung meiner These.

    Klarstellung: im innerparteilichen Demokratie-Verständnis unterscheiden Grüne und SVP sich um Welten. Und ich hoffe zumindest für die Grünen, dass dies auch so bleibt.

    Beim Buhlen um das Wertvollste, was Bürger und Bürgerinnen einer politischen Partei zu vergeben haben – ihr Wahlvotum – geht es aber schon längst nicht mehr um politische Konzepte sonder um grösstmögliche öffentliche Aufmerksamkeit. Was bei den einen mit Werbefläche und damit verbundenen Budgets erreicht wird, kompensieren die anderen mit Provokation. Da wird beiderseits wahl- und teilweise instinktlos provoziert. Manch einer verharmlost dies als „Zuspitzung“. Die gesellschaftlich relevanten Fragen werden auf „Ausländer“ und „Klimaschutz“ reduziert.

    Weder das eine noch das andere sind aber essentielle Herausforderungen, welchen sich unsere Gesellschaft und damit die Politik zu stellen hat. Und genau darin unterscheiden sich die Extreme im politischen Spektrum eben nicht. Beiderseits werden die anstehenden Fragen reduziert. Simple Antworten auf komplexe Fragen. Damit einher geht eine „Plakativierung“ der politischen Diskussion. Diese verdrängt – dies meine Behauptung – die Auseinandersersetzung um politische Konzepte und Antworten auf die wirklichen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Das Heischen um die Wähler(innen)stimme verkommt zum Marktgeschrei – die Demokratie zum Instrument jener, welche dieses Geschreie, am besten beherrschen und damit zwangsläufig die damit verbundenen Kommunikationskanäle dominieren – hüben wie drüben.

  9. ‘@open society
    Die zweite Stellungnahme klingt nun nachvollziehbarer. Mein Einspruch bleibt dennoch: Das Ausreizen der Auftrittsmöglichkeiten der jungen und alten Grünen hat doch nichts diktatorisches oder demokratiefeindliches an sich. Die Grünen bedienen sich in ihren Kampagnen nicht der Stilmittel vergangener totalitärer Systeme. Und ich behaupte: Auch wenn Botschaften verkürzt und zugespitzt werden, sind die Auftritte nicht inhaltsleer. Nehmen wir als Beispiel die hier von Mark Balsiger zur Illustration verwendete Kampagne gegen die Praktiken der Zürcher Stadtpolizei. Der (Pseudo-)Nacktauftritt wurde gewählt, um die Zwangs-Strips auf Polizeiposten anzuprangern. Nackte Haut ohne Botschaft bringt’s in der Politik kaum. Oder hat jemand die entsprechendeJuso-Kampagne gegen die Unternehmenssteuerreform wirklich wahrgenommen?

    Zudem: Solche Aktionen bilden ja nur einen letztlich kleinen Teil der Politarbeit. Die Knochenarbeit sieht wohl fraktionsübergreifend überall ähnlich aus: Dokumente wälzen, recherchieren, sich austauschen und Vorstösse einreichen. Und da lässt sich der Leistungsausweis der Grünen durchaus sehen. Nehmen wir aus aktuellem Anlass die Halbjahresbilanz der Grünen Gemeinderatsfraktion der Stadt Zürich:

    Rund die Hälfte der in den vergangenen zwei Jahren überwiesenen Motionen stammen aus grüner Feder. Die GRÜNEN haben dafür jeweils über das Links-Rechts-Schema hinaus eine Mehrheit im Gemeinderat gefunden, was für eine 11%-Fraktion nicht selbstverständlich ist.

  10. richtig so, bin zwar auch TCS mitglied, schätze eure dienstleistungen.

    doch der autowahnsinn hat grenzen, keine ahnung wer die drähte zieht bei TCS, vielleicht wird es zeit zur VCS zuwechseln!

    gruss

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