Tschäppät im Schlafwagen zur Wiederwahl
Publiziert am 29. Mai 2012Seit siebeneinhalb Jahren heisst Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp; Foto). Es zeichnet sich ab, dass das auch nach dem 1. Januar 2013 so sein wird. Niemand scheint gewillt zu sein, gegen den Amtsinhaber in den Ring zu steigen. Das ist aus demokratiepolitischen Überlegungen bedenklich, dem Volk sollte eine Auswahl geboten werden. Die bürgerlichen Parteien würden ihre “Verantwortung nicht wahrnehmen”, analysierte der “Bund” am Wochenende.
Die Bürgerlichen versuchen auf diese Weise, Tschäppät “ins Leere” laufen zu lassen. Ihre Strategie: Keine Gegenkandidatur = keine Profilierungsmöglichkeit für den ausgebufften Wahlkämpfer = keine Plattform = zu wenig Stimmen für die Wiederwahl als Gemeinderat (so heisst in Bern die Exekutive). Die Wahl in den Gemeinderat ist aber Voraussetzung, um Stapi zu werden.
Diese Strategie verdient die Bezeichnung abenteuerlich. Kraft seines Amtes hat Tschäppät bis zum Wahltag in einem halben Jahr noch zahllose Möglichkeiten, sich ins beste Licht zu rücken. Die Analyse früherer Gemeinderatswahlen zeigt, dass vier von fünf Wählern jeweils eine unveränderte Liste verwendet hatten. Ist das auch am 25. November wieder der Fall, wird Tschäppät locker wiedergewählt. Die gemeinsame Liste von Rot-Grün-Mitte (RGM) erreicht seit 1992 deutlich mehr Stimmen als jede andere.
Der Blick zurück bis 1996 ist aufschlussreich: Die Wahl bzw. Wiederwahl ins Stadtpräsidium gelang den SP-Kandidaten stets ohne Probleme. Die aktuelle Situation ist mit 1996 vergleichbar: Klaus Baumgartner, Tschäppäts Vorgänger, hatte damals keinen Gegner, der er mit ihm aufnehmen wollte. Bei den Wahlen fürs Stadtpräsidium holte er 75 Prozent aller Stimmen (siehe Grafik). Als Gemeinderat wurde Baumgartner mit dem zweitbesten Ergebnis bestätigt.
Die “Leerlauf”-Strategie der Bürgerlichen kann sich ins Gegenteil verkehren. So oder so rollt Tschäppät in seinem allerletzten Wahlkampf gemütlich im Schlafwagen Richtung Wiederwahl – als Gemeinderat und als Stadtpräsident.
Die Stapi-Wahlen im Überblick:
Dasselbe Dokument als PDF, das deutlich besser lesbar ist:
Wahlen in Berns Stadtpräsidium 1996 bis 2008 (PDF)
Foto Alexander Tschäppät: keystone
abseits von diesem abenteuerlichen pr-sprech müsste man wohl eher von schicksal als von strategie sprechen.
Stadtpräsident Alexander Tschäppät kriegt nun doch eine Gegenkandidatin: BDP-Grossrätin Vania Kohli wagt es, ihn herauszufordern. Allerdings gibt es zu ihrer Kandidatur noch mindestens ein Wenn und ein Aber.
Der “Bund” schreibt:
http://bit.ly/NdEJto
[…] Die Situation ist wieder so wie am Donnerstagmittag. Alexander Tschäppät hat niemanden, der gegen ihn in den Ring […]