Über die latenten Spannungen zwischen Medienschaffenden und Kommunikatoren
Publiziert am 05. Juli 2013Medienschaffende und Berufskommunikatoren sind sich ähnlicher als sie selber glauben: Viele sind eitel und empfindlich, viele glauben an die eigene Wichtigkeit, viele stossen auch unter Ihresgleichen kräftig Testosteron aus. Medien und Kommunikationsabteilungen grosser Unternehmungen sind mächtig, sie führen ihre eigenen Agenden und wollen diese auch durchsetzen. Kein Wunder, dass beide Berufsgattungen immer mal wieder aneinander geraten. In den allermeisten Fällen merkt die Öffentlichkeit davon nichts. Dieser Tage wurde ein Fall von Beeinflussung publik, der in beiden Branchen intensiv diskutiert wird.
Lange hat die Post auf diese Veränderung hingearbeitet: Sie ist nicht mehr eine öffentliche Anstalt, sondern eine Aktiengesellschaft. Und sie hat die Bankbewilligung erhalten. Dass sie diesen grossen Schritt mit einer Medienkonferenz bekanntgibt, liegt auf der Hand. Das Interesse der Medien war entsprechend gross. Im Nachgang stellte sich heraus, dass die Post-Kommunikatoren offenbar mit den Wirtschaftsredaktionen von “Blick” und “Tages-Anzeiger”/”Bund” ausgehandelt hatten, dass diese Titel ein Exklusiv-Interview mit Verwaltungsratspräsident Peter Hasler kriegen.
Ein Redaktor der “Berner Zeitung” wollte auch ein Interview mit Hasler, konnte sich dieses direkt mit ihm sichern, wurde aber am Abend bei der Autorisierung von den Post-Kommunikatoren zusammengestaucht. Michael Hug, Chefredaktor der “Berner Zeitung”, platzte der Kragen. Im Branchenportal “Persönlich” schildert er den Verlauf dieses Falles aus seiner Sicht. Hochinteresant sind auch einzelne Kommentare, die Hugs Text auslösten.
“Persönlich”-Redaktorin Edith Hollenstein griff das Thema auf. Unter anderem befragte sie Mark Balsiger, einen der Betreiber des Wahlkampfblogs. Dieses Interview dürfen wir hier mit dem Einverständnis der Autorin wiedergeben:
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Herr Balsiger, warum denken Sie, war das Echo auf Michael Hugs Text so enorm?
Mark Balsiger: Für Medienschaffende gelten Pflichten und Rechte, für PR-Leute Kodizes, also professionelle Standards. Leider hat es auf beiden Seiten schwarze Schafe, ihr Wirken vergiftet das Klima. Der tiefgreifende Umbruch in der Medienbranche hat die Journalisten verunsichert, in der Branche herrscht Zynismus, zugleich sind die Kommunikationsabteilungen in den letzten 15 Jahren stark gewachsen, Medienschaffende fühlen sich bedrängt und sind schlecht bezahlt. Da staute sich Frust auf. Die Äusserungen von Michael Hug wirkten wie ein Ventil. Das war reinigend – für den Moment.
Wer die Kommentare auf blog.persoenlich.com liest, muss den Eindruck gewinnen, die Post-Unternehmenskommunikation habe einen krassen Fehler gemacht. Was sagen Sie zum Vorgehen der Post?
Die Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft und die Bankbewilligung waren bereits “big news”. Die Post-Kommunikatoren wollten offensichtlich den absehbaren Output noch optimieren. Zusätzlich Exklusiv-Interviews mit zwei Zeitungen zu vereinbaren, ist unsensibel. Gerade für einen halbstaatlichen Betrieb gilt die Gleichbehandlung aller Medien. Die telefonische Intervention beim Chefredaktor finde ich echt problematisch. Verwaltungsratspräsident Hasler stand der BZ Rede und Antwort, hernach das Interview drastisch kürzen zu wollen, ist stillos. Wenn ein Protagonist sich nicht an das Drehbuch hält, können die Medienschaffenden nicht dafür verantwortlich gemacht werden.
Michael Hug wirft der Post vor, im Vorfeld mit “Tagi/Bund” sowie dem “Blick” grössere Interviews vereinbart zu haben und anschliessend zu stur an dieser Abmachung festgehalten zu haben. Welche Rolle spielen die Interessen der “Berner Zeitung”?
Sie benennen die andere Seite dieses Falles, die Michael Hug natürlich ausgelassen hat. Es kommt vor, dass grosse Redaktionen aktiv auf solche Deals hinarbeiten. Gerade Lichtgestalten wie Peter Hasler, Peter Spuhler oder Franz Steinegger hat man gerne im Blatt. Gerne übergross. Nehmen wir an, die “Berner Zeitung” hätte ein Exklusiv-Interview mit Post-Chef Hasler angestrebt und erhalten, wäre Herr Hug überglücklich in seinen Weinkeller hinabgestiegen.
SDA-Chef Bernard Maissen beklagt ebenfalls, dass sich die Post in kommentierende Texte einmischt. Inwiefern sehen Sie es als begründet, dass PR-Stellen bei SDA-Texten Korrekturwünsche anbringen?
Auch der sda unterlaufen Fehler, es ist ungut, dass sie keine Konkurrenz mehr hat. Wenn Fakten und Zahlen nicht stimmen, sollte sie offen sein für Korrekturen. Dass hingegen Externe aus anderen Gründen die Meldungen feinschleifen wollen, liegt nicht drin. Punkt.
Wie erleben Sie selber die Relevanz der Sonntagszeitungen?
Ich erkläre es andersrum: Die Sonntagspresse ist sehr empfänglich für das sogenannte Anfüttern. Sie macht aktiv mit, es wird gedealt wie mit Kokain. Bei Lichte betrachtet sind allerdings viele Storys dünn, die meisten Primeure drittklassig. Damit habe ich die Frage der Relevanz auch beantwortet, oder?
Warum genau müssen die Verwaltungsratspräsidenten, CEO oder Spitzen-Politiker so stark vom direkten Kontakt mit Journalisten abgeschottet werden?
Die Personalisierung führte dazu, dass das Spitzenpersonal für jeden Hafenkäse hinstehen und Auskunft geben sollte. Gute Kommunikatoren wirken als Vermittler und Seismografen, sie wissen, wann ein Chef auf die Kommandobrücke muss. Eben auch bei Hagel und Sturm. Gegenüber den Medien müssen Kommunikatoren plausibel erklären können, weshalb ein Chef einmal nicht zur Verfügung steht.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Journalisten?
In den meisten Fällen ist der Umgang mit Medienschaffenden unproblematisch. Voraussetzung: Man trifft klare Abmachungen, ist transparent, fair und sehr agil. Das hohe Tempo ist für alle Beteiligten eine Herausforderung.
Der Kostendruck ist demnach stark spürbar.
Ja. Medienmanager sind beinharte Zahlenmenschen, die sich nicht für gut recherchierte Geschichten interessieren. Margen von 15 bis 20 Prozent sind ihr Ziel. Deshalb werden kostengünstige Kindersoldaten angestellt. An Medienkonferenzen, Generalversammlungen und Pseudo-Anlässen fabrizieren sie dann diese unsäglichen News-Ticker. Das hat wenig mit Journalismus zu tun, sondern dient nur einem banalen Ziel: “Wir sind vor Ort präsent und berichten in Echtzeit”. Sie stellen Produkte ins Netz. Die Stilblüten und Orthografiefehler sind gratis.
Ist es überhaupt noch eine Herausforderung PR-Profi zu sein, wenn die andere Seite teilweise sehr wenig entgegenzubringen hat?
Am liebsten arbeite ich mit erfahrenen Journalisten zusammen, die ein Thema offen und unvoreingenommen angehen. Ihnen macht man kein X für ein U vor, und das ist gut so. Bei den anderen, die wenig oder keine Dossierkenntnisse haben, ist es herausfordernd, sie in kurzer Zeit zu informieren.
Der Text von BZ-Chefredaktor Michael Hug generierte auf “Persönlich” insgesamt 25 Kommentare. Das ist für dieses Branchenportal sehr viel.
Noch vor der Publikation der zweiten Geschichte und des Interviews zum selben Thema (siehe oben) prophezeite ich ein paar Berufskollegen, dass es mindestens 25 Reaktionen geben würde. Allerdings nicht direkt, sondern hinter den Kulissen. Und so war es denn auch.
Gestern hat sich Manfred Messmer mit dem Thema befasst, wie so oft mit einem eigenen Ansatz. In seinem Blog kritisiert er den Redaktor der BZ:
“Was bildet denn sich dieser Kerl von der Berner Zeitung ein, wer er ist?
Wenn er nicht in der Lage ist, mit fünf Fragen auf den Punkt zu kommen und den Herrn Hasler festzunageln, dann soll er doch einfach den Beruf wechseln. In einer Tageszeitung sind Interviews mit mehr als fünf Fragen sowieso eine Zumutung an die Leserschaft.”
Zur Abrundung der gesamte Blogpost:
http://bit.ly/154Elrq