Umfragen sind wichtige Stimuli im Endspurt
Publiziert am 23. Februar 2010Aufregung in den Parteizentralen der Stadt Zürich: Am frühen Abend wurde die erste und einzige Umfrage zu den Parlamentswahlen veröffentlicht. Demnach verlieren SP und FDP, die SVP wiederum kann leicht zulegen. Die eigentlichen Sieger wären die Grünliberalen, die mit einem Wähleranteil von 6,2 Prozent erstmals im Gemeinderat einziehen.
Weil es um Köpfe geht, sind die Umfrageergebnisse der Stadtratswahlen vom 7. März allerdings spannender:
Sie zeigen, dass die sechs Bisherigen mit deutlichem Vorsprung die Wiederwahl schaffen sollten. Auf den Platzen 7 bis 11 herrscht higegen ein Gerangel:
– Urs Egger (fdp) 22,5%
– Daniel Leupi (grüne) 22,5%
– André Odermatt (sp), 21%
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– Mauro Tuena (svp), 19,5%
– Claudia Nielsen (sp), 17,0%
Der sogenannte Stichprobenfehler beträgt +/- 3,2 Prozent, d.h. Abweichungen sind maximal bis zu dieser Zahl möglich. Ein Faktum, das übrigens diverse Medien nicht erwähnten. Kommt dazu, dass eine Umfrage keine Prognose, sondern eine Momentaufnahme ist.
Vor diesem Hintergrund ist der Zieleinlauf weitgehend offen. Die fünf Erstrangierten der Isopublic-Umfrage sind so gut wie gewählt, nicht aber Gerold Lauber (cvp). Es ist möglich, dass im ersten Wahlgang das absolute Mehr nicht von 9 Kandidierenden übertroffen wird.
Realistischerweise gibt es vier Szenarien, wie die 9 Stadtratssitze in Zukunft verteilt sein werden:
a) 4 SP (bisher 4), 3 FDP (bisher 3), 2 Grüne (bisher 1)
b) 4 SP, 2 FDP (- 1) , 2 Grüne (+ 1), 1 CVP
c) 3 SP (- 1), 3 FDP, 2 Grüne (+ 1), 1 CVP – gem. Umfrage
d) 4 SP, 3 FDP, 1 Grüne, 1 CVP – wie bisher
Mauro Tuena wird den Sprung in die Exekutive nicht schaffen. Die SVP ist bereits seit 1990 nicht mehr in der Stadzürcher Regierung vertreten. Das hat sie zum einen ihrem kompromisslosen Kurs und ihrem Stil zu verdanken. Zum anderen schlugen die Fehden mit der FDP derart tiefe Wunden, dass ein geeintes bürgerliches Lager seit langem inexistent ist.
In den verbleibenden 11 Tagen können Kandidierende und Parteien sich mit vollem Engagement in den Wahlkampf stürzen. Nicht selten ist dabei die Mobilisierung der entscheidende Faktor. Die Umfrage hat die Parteien aufgerüttelt, sie wirkt wie ein Stimulus. Der herannahende Wahltermin rückte so auch auf den Radar vieler Zürcherinnen und Zürcher. Für sie ist die Umfrage ein Reminder.
Grafik: kyriacou.ch
Da mit der Befragung begonnen wurde, bevor die Stimmcouverts (und damit auch die meiste Wahlwerbung) bei den Leuten waren, lässt sich wohl eher der Bekanntheitsgrad der KandidatInnen aus den Ergebnissen ablesen – kaum verwunderlich, dass die Bisherigen mit so grossem Abstand führen.
Statistisch gesehen liegen Andres Türler und Gerold Lauber gleichauf, nur beim einen zu vermuten, sein Sitz wackle, macht angesichts der Zahlen eher wenig Sinn.
Noch was zu den Gemeinderatsprognosen: Die Befragung der Wahlabsichten berücksichtigt die Verschiebungen durch Panaschieren nicht. Bei den Grünen stammten 2006 bei den Gewählten fast 40% der Stimmen von fremden Listen. Die Isopublic-Zahlen dürften also bei einigen Parteien nur schon deshalb deutlich vom Resultat vom 7. März abweichen.
‘@ Andreas Kyriacou
Der Effekt der Wahlwerbung wird überschätzt. Einen über längere Zeit sichtbaren Wahlkampf im gekauften Raum leistet sich vor allem Urs Egger – er muss ja auch.
Bei meiner Einschätzung, dass Gerold Lauber seinen Sitz noch nicht im Trockenen hat, stütze ich mich auf die Tatsache, dass seine Parteibasis (CVP) approx. halb so gross ist wie diejenige der FDP (Andres Türler).
Zu den Gemeinderatswahlen: Es sind eben keine Prognosen, wie Sie schreiben, sondern eine Momentaufnahme, die Isopublic machte. Dass die Ergebnisse unter Umständen massiv anders aussehen werden, glaube ich auch. Der Effekt der letzten drei Wochen kann über Sieg und Niederlage entscheiden.
Alarmierend schlecht schnitten ja die Grünen ab. Das müsste Sie beunruhigen!
Bei meiner Einschätzung, dass Gerold Lauber seinen Sitz noch nicht im Trockenen hat, stütze ich mich auf die Tatsache, dass seine Parteibasis (CVP) approx. halb so gross ist wie diejenige der FDP (Andres Türler).
Das ist richtig, aus den Isopublic-Daten lässt sich aber nicht wirklich rauslesen, dass Lauber ums absolute Mehr bangen müsste – es sei denn, die Neuen legen noch alle markant zu. Dann gäb’s aber wohl gleich für vier Sitze einen zweiten Wahlgang.
Alarmierend schlecht schnitten ja die Grünen ab. Das müsste Sie beunruhigen!
Bei einer Fehlerquote von 3.2% sagen die Zahlen im Grunde wenig aus. Nicht mal die EVP kann sich zurücklehnen, über ihr hängt nach wie vor das Damoklesschwert.
Und es wird auch diesmal so sein, dass ein Drittel der Stimmen für die Grünen oder mehr von Wählern stammen werden, die eine andere Liste einwerfen. Fürs Wahlresultat ist das unerheblich. In Bezug auf Wählerbindung ist es hingegen eine Herausforderung. Andrerseits haben die Grünen die aufgeklärteste Wählerbasis, sie sind nämlich auch diejenige Partei, deren Listen am meisten verändert werden. Lies: Grüne WählerInnen sind keine strammen ParteisoldatInnen, sie nutzen ihre demokratischen Möglichkeiten vielmehr maximal aus. Das ist doch eigentlich löblich, oder?
Beunruhigt bin ich also nicht, aber natürlich läuft noch eine grüne «get out the vote»-Kampagne. Denn überzeugen muss man zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, nur noch die Leute and die Urne prüg^Weinladen. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass ich mit meiner Einschätzung näher beim Resultat vom 7. März liege als die Isopublic-Momentaufnahme.