Ursula Wyss’ Sujet wirkt am besten
Publiziert am 04. Februar 2011Adrian Amstutz, Marc Jost, Christa Markwalder oder Ursula Wyss – die Bernerinnen und Berner haben am 13. Februar eine echte Auswahl. Sie bestimmen, wer den Ständeratssitz von Simonetta Sommaruga (sp), die im letzten Herbst in den Bundesrat aufrückte, übernehmen darf. In diesem Posting geht es darum, die vier Hauptsujets näher zu betrachten.
Dunkler Kittel, weisses Hemd, Krawatte, ein gewinnendes Lächeln – Nationalrat Adrian Amstutz (svp) präsentiert sich so, wie man ihn schon lange kennt. Dasselbe gilt für das Hauptsujet seiner Kampagne: kein Firlefanz, das Schweizer Kreuz und das SVP-Sünneli dürfen nicht fehlen. Die rote Rampe kann man so interpretieren, dass es mit Amstutz bergauf ginge. Unvorteilhaft ist der weisse Hintergrund. Dieser macht das Sujet kühl und klinisch.
Dasselbe Problem wie bei Amstutz zeigt sich auch bei Grossrat Marc Jost (evp): Ein weisser Hintergrund taugt für Werbung nicht. Der Kandidat kommt jugendlich, frisch und sympathisch herüber, ja er kann sogar noch den Wunschschwiegersohnbonus für sich beanspruchen. Die Rasierklinge dürfte 24 Stunden vor dem Fotoshooting letztmals zum Einsatz gekommen sein, und das gibt Minuspunkte. Entweder ein gepflegter Dreitagebart oder frisch rasiert – etwas anderes geht nicht. Vor allem nicht in der Kombination mit einem klassischen Outfit (Kittel, Hemd, Krawatte). Die dunklen Schatten um das Kinn stören. Ansonsten entschied sich Jost offensichtlich für “reduced to the max”: Kein Datum, keine URL, dafür den Langzeitslogan der EVP mit dazugehörigem Güggel.
Ein Foto wie aus dem Modekatalog wählte Nationalrätin Christa Markwalder (fdp.die liberalen) aus. Seit sie ihre Haarfarbe von blond auf braun wechselte, kommen ihre blauen Augen noch besser zu Geltung. Sie hat eine starke Präsenz. Dazu schenkt sie dem Betrachter ihr schönsten Lächeln, très charmante; Bürokollege Suppino nahm sogar das Wort kess in den Mund – für politische Werbung ist das unerhört! Gelungen ist die Komposition mit der Lichtquelle hinten rechts. Geht dort die Sonne auf? Die FDP am Ende des Tunnels – dank Markwalder?
Problematisch sind die Farben: Der schlammgrünbraune Hintergrund kontrastiert zu wenig mit ihren Haaren. Die Kombinationen von Hellblau, Dunkeklblau, Rot (Stempel) und Schlammgrünbrau schmerzen nicht nur Ästheten. Das Corporate Design der FDP ist ein Murks, der selbst grossartige Aufnahmen wie diejenige von Christa Markwalder stark beeinträchtigt.
Ganz wohl scheint es Nationalrätin Ursula Wyss (sp) in ihrer Rolle als Model nicht zu sein. Ihre Gesichtszüge deuten das an. Ansonsten ist dieses Sujet gelungen: Die Kleider, die Wyss wählte, ihre üppige Haarpracht, die erstmals zu einer Frisur gebändigt werden konnte, der Hintergrund ist stimmig – es braucht Mut, im Winter Aussenaufnahmen zu machen (anstelle einer gekünstelten Fotomontage) -, das Brunnenwasser vermittelt Ruhe und nimmt die Farben des Hintergrunds auf, der Text ist so knapp gehalten wie möglich, damit das Bild seine Wirkung entfalten kann. Den Kreativen (Konzept, Fotografie, Grafik, Bildbearbeitung) ist ein Wurf gelungen. Deplatziert ist einzig der rote “Kanister”, der bei der SP seit 2009 zum grafischen Auftritt gehört und die Werberszene noch heute spotten lässt.
Fazit: Die Kandidierenden präsentieren sich in ihren Hauptsujets sympathisch und attraktiv. Das ist nicht irrelevant: Wie wir dank einer Studie des Lausanner Politologen Georg Lutz wissen, spielt das Aussehen bei der Wahlentscheidung eine Rolle. Auf einen eigenen Slogan verzichteten alle Kontrahenten, dafür entschieden sie sich, das Logo der eigenen Partei einzusetzen, was bei Ständeratswahlen nicht zwingend ist. Die gestalterische Umsetzung ist im Falle der beiden Männer solid. Christa Markwalder kommt dank einem Hammerbild so nahe an ihr Publikum heran wie sonst niemand. Ursula Wyss ist die Gewinnerin dieses Betrachtungsrunde, ihr Sujet rundum gelungen – es wirkt am besten.
Auswirkungen auf den Ausgang des Wahlgangs vom 13. Februar- diese Ergänzung ist mir wichtig – haben die Hauptsujets nicht. Die Intensität und Durchschlagskraft der individuellen Kampagnen allerdings schon.
Links zu den Websites der Kandidierenden:
– Adrian Amstutz, Sigriswil
– Marc Jost, Thun
– Christa Markwalder, Burgdorf
– Ursula Wyss, Bern
[…] This post was mentioned on Twitter by Nils Güggi, Mark Balsiger. Mark Balsiger said: Guckte mir die Werbung der Berner Ständeratskandis genauer an: http://www.wahlkampfblog.ch/?p=4114 […]
das amstutz sujet halte ich für das beste, weil reduzierteste. das bild ist sympa (wolf im schafspelz) und die marke macht den rest. bluemeti trögli im hintergrund braucht seine ländliche wählerschaft nicht.
der unrasierte herr jost ist indiskutabel, resp. seine desktopper und knipser. für seriöse berater hat das budget offensichtlich nicht gereicht. anfängerfehler.
frau markwalder ist mehr als kess und darum erinnere ich mich selten, wofür sie eigentlich steht. habe erst kürzlich realisiert, dass sie versicherungslobbyistin ist. ihre kessheit erinnert mich an die frühe frau zölch, auf die waren ja viel journos… das bild ist extrem verschlimmbessert, obwohl die vonobenperspektive generell problematisch ist.
das bild von frau wyss ist sicher das mutigste, wenn da nur frau wyss nicht wäre. hüstel. offensichtlich hatte der fotograf so lange an der schärfe/unschärfe zu schrauben, bis frau wyss ihr gsühn eingefroren ist. schade drum.
“das bild ist extrem verschlimmbessert”, darauf wurde ich mehrmals aufmerksam gemacht! was meint dazu der werbeprofi? kann es auch kontraproduktiv wirken?
Ich bin ja in dieser Frage nicht unparteiisch und enthalte mich einer Bewertung. Was mich aber interessieren würde ist, weshalb das Foto von Christa Markwalder sowohl beim Plakat wie beim Prospekt auf mich leicht verschwommen oder unscharf wirkt. Ist das Absicht? Und wenn ja weshalb?