Verbot von Facebook & Co ist weltfremd

Publiziert am 15. September 2010

Das Berner Kantonsparlament verbietet den Staatsangestellten, soziale Netzwerke während der Arbeitszeit zu benützen. Dieser Entscheid wurde gestern mit 95 Ja- zu 47 Nein-Stimmen gefällt.

Diese deutliche Ergebnis verblüfft, weil es weltfremd und wirkungslos ist: Technisch lässt sich die Sperrung von Facebook und Co mit fünf Mausklicks und drei Minuten Aufwand umgehen – dauerhaft. Unter Mitarbeitenden einiger Banken, den SBB, der Post etc., die bereits eine Sperrung verfügten, werden die Tipps für das Umgehen des Verbots schon seit geraumer Zeit weiterverbreitet.

Das Verbot kann gemäss Medienberichten offenbar erst im Jahr 2014 umgesetzt werden. Bis dann dürfte die virtuelle Welt bereits wieder einen Entwicklungsschritt weiter sein, eine Mehrheit der Staatsangestellten wird dann ein Handy besitzen, auf dem man bequem, jederzeit und ohne Einschränkungen surfen kann. Wer will, loggt sich also am Arbeitsplatz auf diese Weise bei Facebook ein.

Der Initiant des erfolgreichen Vorstosses nutzt übrigens nach eigenen Angaben die sozialen Netzwerke gar nicht. Worauf basiert sein Wissen, sein Intervenieren? Ein Volksvertreter, der das grosse Wort zu einem Thema führt, das er nicht einmal im Ansatz selber kennt – das ist heikel. Er muss damit rechnen, als Populist bezeichnet zu werden.

Ein anderer Aspekt gibt mir mehr zu denken: Leben wir nicht in einer liberalen Gesellschaft, die mit möglichst wenigen Verboten auskommen möchte und auf Selbstverantwortung setzt? Wenn wir das Facebook-Verbot konsequent weiterdenken, was folgt?

Private Mails, SMS und Telefongespräche während der Arbeitszeit – verboten. Rauchpausen im Freien – pro Halbtag nur noch einmal, aber von einem Aufseher überwacht. Toilettenstopps reglementiert – für das kleine Geschäft zwei Minuten, das grosse fünf. “Wer das nicht schafft, soll mit einem dicken Hals weiterarbeiten. Bei Zeitüberschreitung gibt es Lohnabzug”, frotzelt Bürokollege Suppino.

Und wenn solche Auflagen immer noch nicht reichen, muss in jedem Raum eine Videokamera her, besser noch: jedem Kantonsangestellten wird ein Chip implantiert. Bevormundung komplett, Überwachung total, Strafen bei Missachtung drakonisch – die Arbeitsmoral wäre zweifellos hervorragend.

Suppino gründet jetzt dann gleich eine Facebook-Gruppe mit dem Namen “Weniger Populismus, mehr gesunder Menschenverstand – auch in der Politik”. Während der Arbeitszeit.

Foto: derbund.ch

12 Replies to “Verbot von Facebook & Co ist weltfremd”

  1. spannende diskussion.

    ich provoziere: waerst du auch bereit, dich mit gleicher passion dafuer einzusetzen, dass ich an meinem arbeitsplatz waehrend der arbeitszeit den spielfilm schauen darf, den ich leider gestern abend verpasst habe? oder weniger provokant gefragt: ist dieser versuch eines verbots nicht eher die folge davon, dass die von dir geforderte selbstverantwortung bei gewissen Leuten eben gerade nicht funktioniert und die nutzung von “social medias” waehrend der arbeitszeit einfach ueberbordet?

    by the way: die einschraenkungen, welche du als zukuenftig drohendes damoklesschwert beschreibst, ist in vielen gewerben und dienstleistungsbetrieben (z.b. verkauf) seit zum teil jahrzehnten absolut ueblich. wenn schon ist das verbot von facebook an schon existierende gegebenheiten, als eine weiterentwicklung – unabhaengig davon ob das gut oder schlecht ist.

  2. Ich bin teilweise der gleichen Meinung wie Urs.

    Das Problem ist, dass Facebook, SMS und Co. auf Arbeitszeit gehen. Der Arbeitgeber, in diesem Fall der Bund, hat keine Lust Facebook’ler ihr Surfen zu bezahlen. Das finde ich teilweise ok. Im Büro sagt niemand etwas, wenn man kurz eine SMS von der Familie beantwortet. Pausenlos SMS schreiben stört den Chef dann aber doch. Wie Urs schon sagt, sind Kameras, WC-Pausen und Raucherpausen in vielen Betrieben reglementiert.

    Ich denke, dass man immer ein gesundes Mittelmaß finden muss. Etwas Telefon, E-Mail und SMS ist im Notfall ok, aber nicht ständig.
    Wer es aber übertreibt, dem müssen Grenzen gesetzt werden. Das ist auch fair den Kollegen gegenüber, die sich an Regeln halten.

  3. Natürlich, Urs, gewisse Menschen haben mit der Selbstverantwortung ihre liebe Mühe. Allerdings finde ich, dass man sich an der Mehrheit orientieren sollte.

    Wenn 4 Prozent der Datenmenge auf den Servern des Kantons Bern von sozialen Netzwerken stammen, ist das verkraftbar und entspricht wohl etwa dem, was Bätschman ja auch als “noch ok” bezeichnet.

    Ein zentrales Stichwort in dieser Thematik ist Vertrauen. In meiner Firma käme es mir nicht im Traum in den Sinn, meinen Arbeitskollegen den Zugang zu Facebook & Co zu sperren. Müsste ich sie im Verdacht haben, über ein gesunden Mass hinaus privat zu surfen, hätte ich die falschen Arbeitskräfte eingestellt.

    Fazit: es braucht nicht Angestellte, die mit Verboten eingeschränkt werden, sondern solche, die motiviert und gerne arbeiten. Dazu kann ja gerade ein 15-minütiges Verweilen auf Facebook – zum Beispiel während der Mittagspause – auch beitragen.

  4. Die Tageszeitung “Der Bund” schreibt die Geschichte heute weiter.

    Facebook-Sperre des Grossen Rates: «Alle lachen darüber»

    Wie wird die am Dienstag vom Grossen Rat durchgesetzte Facebook-Sperre für die Staatsangestellten von diesen selber aufgenommen? «Alle lachen darüber», sagte gestern SP-Grossrat Matthias Burkhalter, der Geschäftsführer des bernischen Staatspersonalverbands, auf Anfrage.

    Die ganze Geschichte sei lächerlich, weil es doch nicht Aufgabe des Kantonsparlaments sei, sich um solche Dinge zu kümmern, sagte er. Sperren lasse sich die Internetseite schon – und da habe er auch nichts dagegen –, aber es sei nicht möglich, den Staatsangestellten die Benutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook zu verbieten. Wenn es über den Computer am Arbeitsplatz nicht funktioniere, «kann jeder über sein Handy auf diese Seite zugreifen».

    Es dauert noch einige Zeit

    Das Parlament hat sich mit 95 zu 47 Stimmen sehr deutlich für die Facebook-Sperre ausgesprochen. Trotzdem kann Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) als oberste Personalchefin nun nicht einfach in die Informatikabteilung spazieren und die Sperrung anordnen – was technisch kein Problem wäre. Wie sie auf Anfrage sagte, muss sie das Geschäft zuerst wieder dem Regierungsrat vorlegen. Sie nehme an, bis Ende Jahr werde ein Beschluss vorliegen. (db)

  5. Jetzt bin ich verunsichert darüber, ob ich beruhigt sein soll, dass der Grossrat nichts Dringenderes zu behandeln hat oder ob ich beunruhigt sein soll, weil er nichts Dringenderes behandelt.

    War Bürokollege Suppino in Facebook schon aktiv?

  6. ‘@ Titus

    Die Länge einer Debatte sowie ihre Medienresonanz korrelieren nicht immer mit der Relevanz.

    In diesem Fall ist die Politik nicht auf Augenhöhe. Chance verpasst, nachdem die kantonale Verwaltung die letzten Jahre sehr viel “bürgernäher” geworden ist.

    Mit Social-Media-Kanälen wäre nochmals ein mächtiger Schub in Richtung Bürgernähe möglich gewesen. Damit wird wohl nichts.

    Suppino? Nein, er ist manchmal wie die Politiker.

  7. sehr geehrter herr balsiger

    als ‘verschwiegener’ bundesratskandidat – meine kandidatur war erst nur virtuell gedacht, enthielt aber ua belege für in der schweiz verbotene folter, einen brief der zürcher stadtpräsidentin, der amtierenden justizministerin, stichhaltige dokumente über gemäss bundesverfassung verbotene, amtliche willkür und av (s. website und insbesondere meine eigene kat. auf wikimedia commons, arbeiten 1&2, 4&5 im zusammenhang mit 13!) gemäss artikel 17.2 verbotene ZENSUR dieser tage, welche spätestens seit meinem engagement für roman POLANSKI X-09 liberal zur anwendung kommt (der ‘korrekten’ polizei belegt!). die verbotene, amtliche willkür 2007-09 fühte erreichte auf biegen und brechen meine marginalisierung und gipfelt 2010 darin, dass der 2007 “im öffentlichen interesse” weggewiesene neuzuzüger 2010 wieder zum rufmord gegen mich ‘geladen’ wird (herr baumann ist ja inzwischen verabschiedet worden, aber ihm musste ich schon st.gallerisch anmerken: GAAT’S AEN ART NO!).
    was mich zzt mehr beschäftigt: die artikel der seriösen presse über die mysteriösen todesfälle in untersuchungsgefängnissen 2010 sind bereits alle wegarchiviert…, es bleiben hingegen seltsame einträge darüber aus der deutschen anarchoszene; googlen sie blocher und lesen sie auf meinem blog bezüglich seiner fotos!
    – wir sollten sehr rasch aufwachen und (solange die bundesverfassung noch auf unserer seite steht) entschieden mit wort und tat bekämpfen, jene regierungspartei, welche sich, adäquat vertreten, gleichzeitig dennoch erlaubt, übelste, zersetzende opposition zu betreiben (immerhin, wie ich b. am 4.9.10 ins gesicht sagte: seit einem jahr ist die amtierende aussenministerin des landesverrats bezichtigt!).

    ich hoffe, dass sie diesen kommentar im einklang mit artikel 16 der bundesverfassung stehen lassen.

    guter gruss, mischa vetere
    mitglied des a.d.s., pro litteris, suisa

  8. ‘@ mischa vetere

    Zum x-ten Mal haben Ihre Kommentare nichts mit dem Thema, welches im Posting aufgegriffen wurde, zu tun. Lancieren Sie ein eigenes Blog.

    Ich bitte Sie höflich, endlich unsere Hausregeln zu respektieren. Von nun an wird jeder Ihrer neuen Kommentare gelöscht – ohne Benachrichtigung hinter den Kulissen. Wir bemühen uns, ein Qualitätsblog zu betreiben.

  9. das verbot von facebook hat nichts mit der aufgezeigten, immer offensichtlicher werdenden zensur in der schweiz zu tun?! eine bundesratskandidatur, unisono verschwiegen, folter und willkür belegend… – ich habe einen blog, auf welchen ich ja eben aufmerksam machte; wenn ihr kommentar wieder gut ersichtlich bleibt und meine gelöscht werden, ist dies rufschädigend und auch eine höhere form der zensur. ihre antwort lässt allem voran jeglichen respekt missen und zeigt, dass sie selbst auf ihrem blog keine freie meinungsäusserung dulden. das tut mir leid für sie, denn die verfassung sieht dies anders.

  10. nun mal halblang, in der verfassung steht gar nichts über blogs. die meinungsfreiheit, ein menschenrecht und ein zentraler grundrecht in der demokratie, schützt die meinungsäusserung gegen eingriffe durch den staat. sie garantiert zugang zu informationen, die für die meinungsbildung notwendig sind. und sie schützt vor zensur, durch den staat.

    sich darauf zu berufen, heisst lange nicht, ein recht zu haben, bei privaten blogs alles und jedes platzieren zu können. denn dafür haftet zunächst der blogbetreiber, und deshalb ist durchaus angebracht, hausregeln zu haben.
    diese zu beachten, hat etwas mit respekt vor der möglichkeit des kontroversen diskussion zu tun, die zuallererst der sache dienen soll.

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