Wahlkampfauftakt: Regierungsrat Philippe Perrenoud muss sich warm anziehen
Publiziert am 02. Juni 2009Gesundheitsdirektoren stehen schneller auf der Abschussliste als andere Regierungsräte. Das musste der Philippe Perrenoud (sp; links) heute Nachmittag in aller Deutlichkeit feststellen. Bei der Wahl zum Vizepräsidenten der Berner Regierung erzielte der gelernte Mediziner aus Tramelan gerade einmal 77 von 156 möglichen Stimmen. (Korrektur vom 3. Juni, 8.30 Uhr: Bei 153 möglichen Stimmen legten 59 Grossräte leer oder ungültig ein, 17 Stimmen vielen auf “Diverse”.) Dieses Ergebnis ist kein Dämpfer, sondern eine regelrechte Ohrfeige für Perrenound. Zum Vergleich: Sein Regierungskollege Hans-Jürg Käser (fdp) holte bei der Wahl zum Regierungspräsidenten 147 von 156 Stimmen.
Das schlechte Abschneiden von Perrenoud kommt nicht komplett überraschend: Auguren behaupten, er sei das schwächste Mitglied im siebenköpfigen Regierungsrat, die Noten, die er von den meisten Parlamentariern erhält, sind nur knapp genügend, im Samstags-Interview des “Bund” vom 30. Mai schlug sich Perrenoud nicht gerade souverän. Die Schockwelle wegen den Krankenkassenprämien, die im Kanton Bern überportional ansteigen werden, überrollte auch ihn. Auch dafür musste er heute büssen.
Im Kanton Bern hat es weiterhin zu viele Spitäler. Dieses Überangebot zu reduzieren und zu reorganisieren ohne ganze Regionen gegen sich aufzubringen, ist eine grosse Herausforderung für Perrenoud. Es gibt einige Gesundheitsdirektoren, die genau an dieser Aufgabe scheiterten – und abgewählt wurden.
Ende März 2010 werden im Kanton Bern die Gesamterneuerungswahlen stattfinden, die Bürgerlichen möchten nach dem “selbstverschuldeten Betriebsunfall” wieder die Mehrheit erringen. Seit April 2006 zählt die Regierung nämlich 4 Mitglieder von Rot-Grün sowie 3 Bürgerliche (nach dem Übertritt von Urs Gasche von der SVP zur BDP im Sommer 2008: 1 BDP, 1 FDP, 1 SVP). Traditonell lautete der Verteilschlüssel: 5 Bürgerliche (3 SVP, 2 FDP) und 2 SP-Mitglieder. Die Schmach von sitzt noch tief, heute wurden die ersten Kanonen in Stellung gebracht.
Womöglich schiessen die Bürgerlichen sich tatsächlich auf Philippe Perrenoud ein. Sein Trumpf: Er hat den praktisch garantierten Jurasitz inne. Er könnte bei den Wahlen 2010 beispielsweise auf Platz 12 landen und bliebe gleichwohl im Amt – sofern ihn niemand aus dem Berner Jura überflügelt.
Der einzige Bernjurassier, der seit Monaten als Kampfkandidat gehandelt wird, ist Grossrat Sylvain Astier (fdp; links) aus Moutier. Er müsste Perrenoud verdrängen. Das bräuchte, unter anderem, mindestens im Berner Jura die geschlossene Unterstützung der bürgerlichen Parteien BDP, FDP und SVP. Ob das nach all den Verletzungen der letzten Jahre möglich ist, bleibt abzuwarten.
Kommt dazu, dass Astier mit Jahrgang 1975 noch sehr jung ist. Traut man ihm dieses Amt überhaupt zu? Und falls ja: Möchten die Parteistrategen riskieren, dass ein (zu) jung gewählter Regierungsrat (zu) lange im Amt bleibt? Erinnerungen an Mario Annoni (fdp) werden wach, der von 1990 bis 2006 der Sitz der Bernjurassier besetzte – für viele etwas gar lange.
Keine Zweifel, Philippe Perrenoud muss sich warm anziehen. Die Gefahr einer Abwahl hat er schon vor geraumer Zeit erkannt: er machte seinen Parteikollegen Jean Philippe Jeannerat (Foto unten) zum Stabschef in seiner Direktion. Jeannerat ist ein ausgebuffter Kommunikationsprofi: Lange Jahre war er Mediensprecher der SP Schweiz, später im EDA bei Bundesrätin Calmy-Rey. Seit letztem Sommer ist Jeannerat daran, Perrenouds Profil in der Öffentlichkeit zu schärfen.
Fotos Philippe Perrenoud, Sylvain Astier und Jean Philippe Jeannerat: neo1.ch, fdp.ch, tagesanzeiger.ch
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