Wahlkampfwandern mit der “Land-Amme”

Publiziert am 26. Juli 2012

Die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli gibt den Nik Hartmann. Seit bald zwei Wochen wandert sie zusammen mit ihrem Hund über Stock und Stein. Dabei twittert sie und füttert ihre Facebook-Seite mit Fotos und Anekdoten. Resonanz erzeugt das Wahlkampfwandern allerdings nicht auf den Social-Media-Kanälen, sondern in den etablierten Regionalzeitungen.

Vor Jahresfrist kurvte der damalige FDP-Präsident Fulvio Pelli auf seinem Rennrad durchs Mittelland. Dabei wurde er stets von pedalenden National- und Ständeratskandidaten seiner Partei begleitet. Die fünf Etappen lieferten gute Bilder und Stoff für hochsommerliche Berichte – die Medien stürzten sich dankbar darauf.

Langsamer, aber bedeutend länger ist Susanne Hochuli (Grüne) unterwegs: In 16 Wandertagen will die Aargauer Regierungsrätin über 300 Kilometer zurücklegen. Sie nennt es “Grenzwanderung”, und tatsächlich führte ihre Route bislang mehr oder weniger der Kantonsgrenze entlang. Die präzisen Etappen sind nicht bekannt, Hochuli ist alleine unterwegs, nur von ihrem Hund “Mira” begleitet. Was sie braucht, trägt sie in einem Rucksack mit, übernachtet wird bei Freunden, Bauern oder auch mal in einem Gasthof.

Wandern ist kontemplativ – für Hochuli, die am 21. Oktober wiedergewählt werden will, allerdings auch Wahlkampf. Von unterwegs twittert sie, macht Fotos, notiert ihre Erlebnisse und veröffentlicht alles auf ihrer Facebook-Page. Auch die Website ist ganz auf die Grenzwanderung der Frau Landammann, die sich inzwischen zur “Land-Amme” emanzipierte, ausgerichtet. So weit, so gut. Die Defizite werden erst bei einer genaueren Betrachtung sichtbar.

Die Aktualisierungen auf Hochulis Facebook-Page haben bislang gerade einmal 90 Personen abonniert (“Likes”), ein Dialog findet nicht statt. Das Kampagnenteam der Regierungsrätin lancierte diesen Kanal viel zu spät. Andere bekannte Politisierende haben ihre Facebook-Präsenz jahrelang systematisch aufgebaut und inzwischen mehrere Tausend “Freunde” oder “Likers”. Das ist eine Hausmacht, damit lassen sich potenziell neue Wählerinnen und Wähler binden.

Das Twittern entdeckte Hochuli im letzten Frühling. Die knappe Form entspricht ihr offensichtlich, ihre Tweets sind eine Mischung aus Information, Witz und Persönlichem. Schon nach wenigen Wochen heimste sie dafür ein Lob von der NZZ ein.

Exemplarisch ein paar Tweets der vergangenen Woche, als sie der Reuss entlang Richtung Norden wanderte:

Diese knappe Anekdote provozierte natürlich schnell eine Antwort:

Fast 600 Personen (die sog. “Follower”) haben die Tweets der Aargauer Regierungsrätin abonniert. Intuitiv scheint sie dieses Medium zu beherrschen. Es ist deshalb jammerschade, dass sie ihre Beobachtungen und Erlebnisse auf der Wanderung nicht regelmässiger über Twitter verbreitet; manchmal zwitschert sie tagelang überhaupt nicht.

So wenig Hochuli das Potenzial von Twitter und Facebook ausschöpft, so ergiebig ist die Berichterstattung in der etablierten Regionalpresse. Die Medienschaffenden stürzen sich in der Sauregurkenzeit geradezu auf die wandernde Politikerin. Die “Aargauer Zeitung” räumte ihr in den Splitausgaben im Freiamt und im Fricktal viel Platz ein, ebenso wie die “Neue Luzerner Zeitung” (die im Aargauer Freiamt ebenfalls verbreitet ist), “Die Botschaft” (Region Zurzach) und die “Neue Fricktaler Zeitung”. (Die Berichte der letztgenannten Medien sind online nicht verfügbar.)

Viel Unterstützung wird Hochuli von einer Organisation zuteil, die ihr eigentlich nicht grün ist: Gastro Aargau. Der Arbeitgeberverband für Hotellerie und Restauration initiierte im letzten Jahr den Stammtisch für den Aargauer Landammann. Dieser besucht im Verlauf seines Amtsjahres alle elf Bezirke des Kantons und nimmt jeweils für einen Abend in einer Beiz Platz. Für die Organisation und Bewerbung der Anlässe ist Gastro Aargau zuständig. Susanne Hochuli, die einen unkomplizierten Umgang mit den Leuten pflegt, profitiert von dieser Serie. Allein während ihrer Grenzwanderung finden drei Stammtische statt.

Ihre Konkurrenten machen Ferien oder beissen Akten, Susanne Hochuli generiert derweil mit ihrem Wahlkampfwandern viel Aufmerksamkeit. Dank den etablierten Regionalzeitungen. Der grosse Social-Media-Boost ist ihr nicht gelungen. Aber womöglich war das ja auch gar kein Ziel.

Mark Balsiger

– Fotos: Facebook-Page von Susanne Hochuli


One Reply to “Wahlkampfwandern mit der “Land-Amme””

  1. Susanne Hochuli wandert, twittert und “stammtischlet” nicht nur, nein, sie liest auch dieses Blog.

    Ihr Tweet, wie gewohnt frisch und direkt:

    @Mark_Balsiger – Wär’s wahlkampfwandern, zwitscherte ich Tag und Nacht. In den Ferien zwitschere ich vogelfrei, Sie Widersprüchling ;-). #fb

    Auch heute befasste sich die Regionalpresse wieder mit ihr. Dieses Mal wars das “Zofinger Tagblatt”, das ein Interview mit Hochuli führte. Am Montag dürfte die Berichterstattung über den Stammtisch in Brittnau folgen.

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