Weshalb Natalie Rickli nicht für den Bundesrat kandidieren wird

Publiziert am 01. Oktober 2022

Die letzten 24 Stunden sind ein paar Medienanfragen zur Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer eingegangen. Alle Journalisten nennen den Namen der Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli, laut Tamedia hat sie «auf dem Papier das beste Anforderungsprofil». In der Tat war Rickli von 2007 bis 2019 Nationalrätin, ehe sie im Frühling 2019 in den Regierungsrat gewählt wurde. Als einzige der bislang genannten Personen hat sie also Erfahrung auf nationaler Ebene und in einer kantonalen Exekutive.

Dennoch glaube ich nicht daran, dass sie für den Bundesrat kandidieren wird. In diesem Blogposting führe ich aus, wieso.

Rickli und Ernst Stocker wurden am 13. April 2022 von ihrer Partei wieder für den Regierungsrat nominiert. Stocker ist mit 67 Jahren bereits im Pensionsalter. Er wurde bekniet, nochmals anzutreten, weil sonst weit und breit kein geeigneter Kandidat zur Verfügung stand, der den zweiten SVP-Sitz in der siebenköpfigen Regierung souverän hätte verteidigen können. Also muss Stocker nochmals ran.

Die Gesamterneuerungswahlen im Kanton Zürich finden am 12. Februar 2023 statt. Sie haben eine übergeordnete Bedeutung, weil ihre Resultate als Vorboten für den Ausgang der eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 gedeutet werden. Deshalb gilt für jede Partei: verlieren verboten!

Rickli ist wohlgelitten im Entscheidungszirkel rund um Übervater Christoph Blocher, bei der SVP weiss man, was man an ihr hat. Eine Bundesrätin Natalie Rickli, im November wird sie 46-jährig, würde der Partei ein junges und frisches Aushängeschild bescheren. Selbstverständlich wird sie nun hinter den Kulissen bearbeitet.

Allerdings stimmt das Timing nicht für sie. Die Maurer-Nachfolge wird am 7. Dezember unter der Bundeshauskuppel entschieden. Von der SVP wird ein Zweiervorschlag erwartet. Alles andere wäre ein Affront gegenüber den anderen Fraktionen, die deswegen eine wilde Kandidatur vorziehen könnten. Die Dynamik sollte man nicht unterschätzen, zumal Bundesratswahlen geheim sind.

Nehmen wir an, dass Rickli für den Bundesrat kandidiert. In einem solchen Fall steht die SVP-Kantonalsektion vor der Herausforderung, einen Ersatz für Rickli aus dem Hut zu zaubern, der realistische Wahlchancen für die Zürcher Regierung hat. Doch wer ist dieser Mister oder Miss X? Wenn vor Jahresfrist kein Nachfolger für Stocker gefunden werden konnte, wäre die Suche in den nächsten Wochen kaum einfacher. Wer will im Ernst zu einem derart späten Zeitpunkt ins Rennen steigen und sich verheizen lassen?

Im mit Abstand bevölkerungsreichsten Kanton will die stärkste Partei ihren zweiten Regierungssitz gewiss nicht verlieren. Das wäre Sand im Getriebe während des eidgenössischen Wahljahres.

Das Risiko ist auch für Rickli gross. Zweifellos würde sie es auf das Zweierticket der Fraktion schaffen, beispielsweise zusammen mit Albert Rösti (BE), Esther Friedli (SG) oder Alt-Parteipräsident  Toni Brunner (SG). Was aber am Wahltag  geschieht, ist komplett offen. Wenn sie den Sprung in den Bundesrat nicht schafft, kann sie nur schwerlich zurück zu Plan A schwenken, der Wiederwahl für den Zürcher Regierungsrat. Das Volk würde ein solches Hüscht und hott kaum goutieren.

Natalie Rickli ist mediengewandt wie nur wenige Spitzenfiguren in der Schweizer Politik. Sie wird es schaffen, vorläufig als Bundesratskandidatin im Gespräch zu bleiben. Rechtzeitig entscheidet sie sich dann aber für ihre angestammte Position. Das wird dann etwa so klingen: «Es ist eine Ehre, für eine Bundesratskandidatur angefragt zu werden. Nach reiflichen Überlegungen bin ich zum Schluss gekommen, dass in Zürich noch ein paar wichtige Aufgaben auf mich warten.»

So geht Wahlkampf – für den Termin im Februar 2023. Zugleich empfiehlt sich Rickli für die Nachfolge von Bundesrat Guy Parmelin (63), der seit 2015 im Amt ist, also vermutlich noch drei Jahre macht. Oder sie kandidiert 2027 für den Ständerat. Dann wird Daniel Jositsch (SP) nach 12 Jahren im Stöckli und insgesamt 16 Jahren in Bundesbern vermutlich abtreten. Die Chancen stehen für Rickli gut, wenn sie in ihrer zweiten Legislaturperiode als Regierungsrätin keine grossen Fehler macht. Ist sie erst einmal im Ständerat, kann auch der Sprung in die Landesregierung klappen, siehe Karin Keller-Sutter, die eine vergleichbare Karriere hinter sich hat.

Foto: Tages-Anzeiger

3 Replies to “Weshalb Natalie Rickli nicht für den Bundesrat kandidieren wird”

  1. Bemerkenswert: Peter Wanner, der Verleger aus Baden, der mit seinen «AZ Medien» und mit «CH-Media» immer grösser wird, macht sich in der Samstagsausgabe seiner Blätter, die vom Bodensee bis zum Jurasüdfuss und in der Zentralschweiz vertrieben werden, stark für ein prominentes SVP-Mitglied.

    Es gäbe eigentlich nur einen, der alle möglichen Papabile für die Maurer-Nachfolge überrage: Toni Brunner. Er müsste allerdings dazu überredet werden oder einen «Auftrag» erhalten. Man müsse nicht SVPler sein und auch nicht mit seinen politischen Überzeugungen übereinstimmen – entscheidend sind bei einer Bundesratswahl stets Persönlichkeit, Charakter, Charisma, Begabung. Und das alles bringt Toni Brunner mit, mehr noch: Der Mann hat einen politischen Instinkt und aussergewöhnlichen Scharfsinn, er hat Humor und ist ein überragendes Kommunikationstalent.

    Das Loblied Wanners schliesst so: «Kann die SVP, kann Bern, kann das Land auf ein solches Polittalent, auf eine solche «Saftwurzel» überhaupt verzichten?»

  2. Heute hat die NZZ dasselbe Thema aufgegriffen und noch einen weiteren Hacken gefunden, der die Bundesratskandidatur von Natalie Rickli erschwert.

    Der zweite Teil dieses Artikels:

    Die Partei hat eine naheliegende Favoritin in ihren Reihen: Regierungsrätin Natalie Rickli. Doch diese Kandidatur wäre problembehaftet.

    In gewisser Hinsicht ist Rickli eine ideale Kandidatin. Sie sass lange im Nationalrat und verfügt dank ihrer Arbeit in der Kantonsregierung auch über Exekutiverfahrung. 2015, als sie das letzte Mal in den Nationalrat gewählt wurde, erreichte sie das zweitbeste Resultat hinter Roger Köppel.

    Doch Rickli als Kandidatin würde die Zürcher SVP in die Bredouille bringen. Denn Rickli soll sich eigentlich als Regierungsrätin im kommenden Frühjahr zur Wiederwahl stellen. Die Partei will ihre beiden Sitze im Regierungsrat unbedingt halten. Ricklis Wiederwahl gilt als sehr wahrscheinlich, doch davon abgesehen ist die Volkspartei nicht mit einem Überfluss an Personal gesegnet. Ausdruck davon ist, dass neben Rickli Ernst Stocker trotz fortgeschrittenem Amtsalter nochmals antritt.

    Mit anderen Worten: Die SVP kann Rickli als Regierungsratskandidatin nicht entbehren.

    Bei Misserfolg stünde Rickli ohne Amt da
    Rickli kann auch schlecht zunächst für den Bundesrat und im Falle eines Scheiterns doch noch für den Regierungsrat kandidieren. Zwar finden die beiden Wahlen zeitlich versetzt statt – die Bundesratswahl Anfang Dezember und die Regierungsratswahlen Anfang Februar 2023. Aber bereits am 28. November müssen die Parteien im Kanton Zürich bekanntgeben, wen sie für den Regierungsrat aufstellen. So will es das neue Gesetz über die politischen Rechte im Kanton Zürich, das erst seit wenigen Tagen in Kraft ist.

    Versäumen die Parteien diese Frist, bleiben die Kandidaten zwar wählbar. Aber sie fehlen auf dem Beiblatt, das mit den Wahlunterlagen verschickt wird und den Stimmberechtigten die Auswahl erleichtern soll. Wer darauf fehlt, dürfte einen gewichtigen Nachteil haben.

    Rickli müsste sich also rechtzeitig entscheiden, damit die SVP eine andere Kandidatin oder einen anderen Kandidaten ins Rennen schicken kann. Und sie stünde im Falle eines Misserfolgs bei den Bundesratswahlen ganz ohne Amt da.

    Die einfachste Lösung wäre es unter diesen Umständen, jemand anders zu nominieren. Aus der Zürcher Nationalratsdelegation kommt nach Einschätzung mancher in erster Linie Gregor Rutz infrage. Bei den Nationalratswahlen 2019 erreichte er, erneut hinter Roger Köppel, das zweitbeste Resultat im Kanton Zürich. Er gilt als gut vernetzt in Bern. Köppel selbst polarisiert zu stark, und dasselbe lässt sich wohl von seinem Nationalratskollegen Thomas Matter sagen.

    Was ist aus Sicht der SVP wichtiger – die beiden Sitze im Regierungsrat zu halten oder den «Zürcher» Sitz im Bundesrat? SVP-Präsident Ledergerber sagt: «Das werden wir in den nächsten Tagen abwägen müssen.»

    Rickli wäre für viele Bundesparlamentarier wählbar. Ihr Profil als scharfzüngige Rechtsaussenpolitikerin hat sie als Regierungsmitglied abgeschliffen. Zum Beispiel mit ihrer Corona-Politik, die bei Mitte-links mehr Support genoss als bei manchem SVP-Mitglied. Doch der terminliche Ablauf ist für die Gesundheitsdirektorin Rickli undankbar.

    Man kann es auch so formulieren: Hätte Ueli Maurer, der sich auch schon in der Kutte der impfkritischen Freiheitstrychler ablichten liess, sie als Bundesrätin verhindern wollen, hätte er keinen besseren Zeitpunkt für seinen Rücktritt wählen können.

  3. Gestern Abend, kurz vor 22 Uhr, hat sich Regierungsrätin Natalie Rickli aus dem Rennen genommen. Via Twitter und einem Interview, das zeitgleich im «Tages-Anzeiger» publiziert wurde.

    Das Timimg stimmt – viel länger hätte Rickli die Öffentlichkeit nicht mehr warten lassen können.

    Der Wortlaut ihres Tweets:

    @NatalieRickli
    #Bundesratswahlen: Vielen Dank für den grossen Zuspruch! Ich möchte meine Arbeit im Regierungsrat ZH fortsetzen. Die Bevölkerung soll sich weiterhin auf ein hervorragendes Gesundheitswesen verlassen können. Deshalb stehe ich für eine Bundesratskandidatur nicht zur Verfügung.

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