Wo waren die Blogger am Wahlabend?

Publiziert am 23. Oktober 2007

Um ein grösseres Publikum zu erreichen, sind Schweizer Polit-Blogs auf die Erwähnung in etablierten Medien angewiesen. Unverhofft schaffte es der “wahlkampfblog” – weiterhin ein Experiment -, erstmals in einer Tageszeitung genannt zu werden. Eine Journalistin der “Basler Zeitung” suchte am Wahlabend nach aktuellen Blogbeiträgen – und wurde offenbar kaum fündig. Hier ihr Artikel:
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© Basler Zeitung; 22.10.2007; Seite 4

Wo bleiben die Blogger?

Im Internet bleiben die Kommentare zu den Wahlen spärlich

BARBARA STÄBLER

Die baz wollte wissen, wie stark die Schweizer Bloggerszene die Wahlen verfolgt und kommentiert.

Dank den Weblogs oder auch Blogs genannt, kann der Bürger seine Meinung zur aktuellen Politik und sein Wissen mit anderen schnell und ungefiltert teilen. Blogs, so die Meinung in der Bloggerszene, führten damit zu einer Demokratisierung der Information; die Medien aber verlören dadurch ihre Bedeutung.

Ein Blick ins Internet am Abend der Eidgenössischen Wahlen ist ernüchternd, die Bloggerszene verhält sich ruhig. Zu kommentieren und zu spekulieren gäbe es genügend: die erneute Erstarkung der SVP, den Erfolg der Grünen oder den Absturz der SP.

Doch als Polit-Blogs aufgeführte Weblogs wie edemokratie.ch, ignoranz.ch oder freilich.ch bleiben am Wahlsonntag stumm. Der Blog wahlkampfblog.ch einer Berner PR-Agentur publiziert am Sonntagabend wenigstens einen Kurzbeitrag. «Die Grünen machten vor, wie man faktisch ohne Budget stark zulegen kann. Ein klares Profil macht den Unterschied und wirkt, wenn wenige Themen auf Jahre hinaus konsequent bewirtschaftet werden», wird der Sieg der Grünen kommentiert.
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Gebloggt wurde selbstverständlich auch am Wahlabend – Blogger sind vor allem am Abend und in der Nacht aktiv. Man hätte etwas länger suchen müssen – oder später damit beginnen. Aber zu diesem Zeitpunkt war die “Basler Zeitung” wahrscheinlich bereits im Druck. Das ist der erschlagende Vorteil der Weblogs. Ich werde das Experiment darum vorläufig weiterführen, auch wenn die eidgenössischen Wahlen nun vorüber sind.

Mark Balsiger

6 Replies to “Wo waren die Blogger am Wahlabend?”

  1. Frau Stäbler hat offenbar keine Ahnung von Internet- und Blogrecherche, sonst würde sie nicht so einen Käse schreiben. Miserabel war die Leistung der Medien in der Nacht: Auf der Suche nach dem Endresultat stellte ich fest, dass morgens um 3, als ZH auch feststand, die meisten Redaktionen am pennen waren… keine Spur von den Endergebnissen.

  2. ‘@Andi -Nun, auch Medienschaffende sollten einmal schlafen dürfen. Für die wenigen, die morgens um drei Uhr auf den Beinen – und vor dem Compi – waren, dürfte es nicht entscheidend gewesen sein, die Zürcher Ergebnisse schon zu kennen.

  3. ‘@Hugo: Du beliebst zu scherzen…? Da sind alle vier Jahre Wahlen, und Du forderst Schlaf? Da erwarte ich aber ein GANZ anderes Arbeitsethos, gerade in der wichtigsten Nacht des Jahres. “Penntüten” ist da wohl noch harmlos. Aber solche Faulpelz-Attitüden gehören wohl zur Konsumwüste Schweiz.

  4. Barbara Stäbler von der “Basler Zeitung” befasste sich im Nachgang des Wahlsonntags gleich nochmals mit den Polit-Bloggern. Hier ihr gesamter Artikel:

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    © Basler Zeitung; 24.10.2007; Seite 8

    Fehr und Pelli fällig

    Schweizer Blogger sparen nicht mit Kritik

    BARBARA STÄBLER

    Linke wie auch rechte Blogger kommentieren nach den Eidgenössischen Wahlen das Ergebnis.

    «Die Wahlen 2007 sind vorüber, die Schweiz hatte die Wahl zwischen Himmel und Hölle › sie hat die Hölle gewählt und wird nun die Früchte ernten müssen», schreibt der Betreiber von blog.rainbownet.ch. Auch der Blogger von antisvp.antifa.net ist über den Wahlausgang enttäuscht und kann diesem nur etwas Positives abgewinnen: die Abwahl des Zürcher SVP-Nationalrates Ulrich Schlüer. Ebenso bei blog.rainbownet.ch und spinlock.ch freut man sich über dessen Scheitern. «Leider muss ich euch enttäuschen», stellt darauf ein Blogger klar. «Herr Schlüer wird wohl in Bern bleiben, weil nämlich Ueli Maurer den Einzug ins Stöckli schaffen wird und er nachrücken wird.»

    Hingegen bejubelt man den SVP-Sieg auf winkelried.info, der «politisch inkorrekten Seite der Schweiz», und hofft, dass sich die Politik «in den nächsten Jahren grundlegend ändern» wird. Die Blog-Betreiber fordern sogleich, dass die Steuern gesenkt werden, «und das kann man am besten erreichen, wenn man den Linken ihre Pfründe entzieht».

    AUS den EIGENEN REIHEN. Auch andere Parteien müssen Kritik einstecken. Die FDP gar aus den eigenen Reihen. «Oh Schreck: Pelli will bleiben», titelt Mar- tin Müller, Betreiber von liberalissimus.blogsome.com und Präsident der FDP Dietikon. An der Elefantenrunde im Fernsehen sei ihm Pelli vorgekommen wie der deutsche Ex-Bundeskanzler Schröder, der nach einer Wahlniederlage vor laufender Kamera die grosse Lippe riskierte. «Nein, nein», schreibt er. «Pulvio verschossen, Felli bachab.»

    Im parteieigenen Blog «campa07» wird von mehreren Bloggern auch SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr zum Rücktritt aufgefordert.

    Die Berner PR-Agentur, die den Blog wahlkampfblog.ch betreibt, übt Kritik an den Grünliberalen. «Wären sie forscher an die Gründung von kantonalen Sektionen gegangen, hätten sie aus eigener Kraft Fraktionsstärke erreicht», zieht der Blogbetreiber Bilanz und meint zum Schluss: «Selber schuld».

    Und während Matthias Kestenholz, Mitglied und Co-Präsident der Jungen Grünen Zürich, in seinem Blog spinlock.ch das Resultat seiner Partei in höchsten Tönen lobt («Mit 0,7 Prozent Wähleranteil im Kanton Zürich sind wir die Jungpartei, welche am besten abgeschnitten hat»), führt ihm ein Blogger den Wähleranteil der SVP vor: «Ich sage nur: Fast ein Drittel des Landes kann einfach nicht falsch liegen! 0,7 Prozent jedoch schon…»

    ALLTAG KEHRT EIN. Wahlen hin oder her: Bald wird der Alltag wieder einkehren. Ironisch meint der Betreiber von freilich.ch nur: «Zurück zu den wichtigen Dingen des Lebens», und listet einige «wichtige» Meldungen vom Tag auf: «Bürgermeister von Delhi von Affen getötet» oder «Castro verbietet das Boxen» oder «Kuh fällt von Hang». Abschliessend meint er: «Gut zu wissen, dass die Welt sich weiterdreht.»

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