So höhlt Marc Walder den Journalismus aus

Publiziert am 03. Januar 2022

Kaum hat das neue Jahr angefangen, erhöht sich die Temperatur in der Medienszene: In einem Video, das die Gegner des neuen Mediengesetzes in Umlauf gebracht haben, machte Ringier-CEO Marc Walder eine brisante Aussage: Wegen der Coronakrise plädierte er dafür, «die Regierung zu unterstützen».

Das Video ist echt, die Sequenz stammt von einer Online-Veranstaltung der Schweizerischen Management Gesellschaft, die Walder am 3. Februar 2021 zu ihrem «Inspirational Talk» eingeladen hatte.

Transkribieren wir, was jetzt Walder und Ringier um die Ohren fliegt:

«Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative hin gesagt: Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere Berichterstattung, damit wir alle gut durch die Krise kommen.»

Professioneller Journalismus ist unbefangen, er bleibt gegenüber allen Akteuren kritisch und auf Distanz. Er macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten Sache.

So steht es sinngemäss in den Lehrbüchern, so wird es gelehrt und vom Nachwuchs diskutiert. Walder, in den Neunzigerjahren Absolvent der Ringier-Journalistenschule, hat das offensichtlich ausgeblendet, weil wir in der grössten Krise seit Jahrzehnten steckten.

In grossen Interviews, etwa bei Radio SRF (nachträglich ergänzt, 4.1.2022, Red.) oder in der NZZ (hier auch als PDF greifbar) erklärt sich Walder heute. Er macht das nicht schlecht, unterlässt es aber, sich für diesen Schlüsselsatz, der einem Aushöhlen des Journalismus gleichkommt, zu entschuldigen. Hätte er angekündigt, dass von externer Seite eine Untersuchung vorgenommen werde, wäre das ein Befreiungsschlag geworden.

Schwenkten die Redaktionen aber tatsächlich auf einen regierungstreuen Kurs ein?

Anhaltspunkte liefern die Erhebungen, die das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Uni Zürich macht. In der Studie über den Pandemie-Frühling 2020 steht: «Es lässt sich nicht behaupten, dass die Medien generell unkritisch über Behörden und die Regierung berichtet haben.» Untersucht wurden u.a. die beiden Ringier-Titel «Blick» und «SonntagsBlick».

Interessant ist auch der «Abstimmungsmonitor» des fög zur Covid-Abstimmung im November letzten Jahres. Er zeigt, dass die Tonalität beim «Blick» einen Wert von +16 aufweist, beim «SonntagsBlick» +35. Bei einer massiven Pro-Berichterstattung wären die Werte deutlich höher ausgefallen. Auf der Gegenseite zeigt das die «Weltwoche»: Sie notiert bei –100, dem Maximum.

Andere Ringier-Titel wie die «Schweizer Illustrierte», die «Glückspost» oder «Tele» erhebt das fög nicht. Ich habe diese Blätter in den letzten Jahren nicht mehr in den Händen gehalten und kenne ihre Ausrichtung nicht. Die Vermutung ist aber naheliegend, dass auch sie sich schwergewichtig mit der Corona-Thematik befassten. Während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 erschienen in der Schweiz jeden Tag mehr als 1500 Berichte über die Coronakrise.

Dass das Video ausgerechnet jetzt ausgespielt wurde, war kein Zufall, sondern strategisch geplant: Die Abstimmung zum Mediengesetz findet in knapp sechs Wochen statt. Für Campaigner ist es ein Glücksfall, wenn sie solches Material verwenden können.

Mastermind der Nein-Kampagne ist übrigens der ehemalige «Weltwoche»-Journalist Philipp Gut. Lanciert wurde das Video im «Nebenspalter» von Markus Somm, der früher für «Weltwoche» und «Basler Zeitung» tätig war.

– Nachtrag vom 5. Januar 2022:
Heute meldet sich Verleger Michael Ringier im «Blick» zu Wort. Es gehöre «zum Alltag in unserem Geschäft, dass journalistische Heckenschützen» zum Teil handfeste politische Absichten hätten. Es sei eine Unterstellung, dass Journalismus nach Weisung betrieben werde.

– Nachtrag vom 6. Januar: 
Heute äussert sich die siebenköpfige Chefredaktion der «Blick»-Gruppe zur Causa Walder. Es habe nie einen «Befehl» des CEO gegeben, und «Blick» hätte ihn auch nicht ausgeführt. «Es ist nicht die Kultur, die wir bei Ringier kennen.» Die Corona-Berichterstattung der vergangenen fast zwei Jahre zeige es: “«Blick» war nicht regierungstreu, sondern nach bestem Wissen und Gewissen faktentreu.” Unzählige Male habe man den Bundesrat und Kantonsregierungen kritisiert und ihre Entscheide hinterfragt.

One Reply to “So höhlt Marc Walder den Journalismus aus”

  1. Seit Monaten läuft eine Strafuntersuchung gegen den damaligen Kommunikationschef beim UVEK. Der Vorwurf: Er soll vertrauliche Informationen frühzeitig an den «Blick» weitergeleitet haben.

    Was «CH-Media» darüber berichtet:

    watson.ch – 14. Januar 2023 12:17
    So fütterte Bersets Departement den «Blick» – die geheimen Corona-Mails

    Lara Knuchel, Francesco Benini und Patrik Müller / ch media

    Alain Bersets Kommunikationschef belieferte den Verlagschef von Ringier mit Informationen zur Coronapolitik des Bundesrats. Einvernahmeprotokolle und E-Mails, die der «Schweiz am Wochenende» vorliegen, zeigen, wie intensiv die Kontakte waren – und wer auf wen Einfluss nahm.

    Als im November 2020 die Zahl der Todesfälle in der Schweiz Tag für Tag stark anstieg, verbreitete der «Blick» eine hoffnungsvolle Nachricht: «Schweiz bekommt den Impfstoff!», lautete am Mittwoch, 11. November 2020, die Schlagzeile auf der Frontseite. Die Verhandlungen mit den Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer stünden vor dem Abschluss. Im Text heisst es, dass das Bundesamt für Gesundheit sich bedeckt halte. «Doch ‹Blick› weiss: Der Bund steht schon länger in Verhandlungen, ein Vorvertrag ist weit gediehen.»

    Einen Tag zuvor, am 10. November, hatte der Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, Peter Lauener, ein E-Mail an Marc Walder, den Chef von Ringier, geschickt: «Vertraulich einige Infos: Die Gelder für den Impfstoff sollten wir wohl erhalten», hiess es darin. «Wir unterzeichnen nächstens einen Vertrag mit Pfizer, die den angeblich sehr wirksamen Impfstoff entwickelt haben. Das kommt zu zwei anderen bereits reservierten Impfstoffen, die vielversprechend sind.»

    Der «Blick» landete einen Treffer. Der Bundesrat gab am Mittwoch nach seiner Sitzung bekannt, dass er den Kredit zur Beschaffung von Covid-19-Impfstoff erhöhe, und zwar um 100 Millionen Franken. Diese Summe hatte die Boulevardzeitung in ihrem Artikel bereits genannt. Die Landesregierung schrieb, sie wolle «Spielraum für weitere Beschaffungen haben». Später gab sie dann den Vertragsabschluss mit Biontech und Pfizer bekannt.

    «Wenn es Ihnen dient …»
    Der «Blick» wusste während der Pandemie mehrmals vorzeitig, welche Entscheide der Bundesrat fällen würde. Am 11. März 2021 schrieb das Blatt über mögliche Lockerungen der Restriktionen: Private Treffen mit Freunden und Familien in Innenräumen sollen wieder mit zehn statt fünf Personen möglich sein. Der Bundesrat entschied dann am selben Tag: «Private Treffen: zehn statt fünf Personen.»

    Am Montag jener Woche hatte Peter Lauener in einem E-Mail Marc Walder darüber informiert, dass an der Bundesratssitzung vom kommenden Freitag «wichtige Entscheide» anstünden. «Wenn es Ihnen dient, kann ich gerne einen Austausch mit Bundesrat Berset gegen Ende Woche organisieren.»

    Für die E-Mails interessierte sich auch der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes, Peter Marti. Er vernahm Peter Lauener am 17. Mai 2022 ab 10.53 Uhr in Zürich – als beschuldigte Person. Marti befragte den damaligen Kommunikationschef des Innendepartements im Zusammenhang mit Vorverfahren wegen des Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheimnisses, und zwar in zwei unterschiedlichen Fällen: Teile des Berichtes der Geschäftsprüfungsdelegation über die sogenannte Kryptoaffäre waren im Herbst 2020 vor der Publikation in der NZZ und im «Tages-Anzeiger» zu lesen gewesen.

    Den zweiten Verdacht umriss Peter Marti in der Einvernahme Laueners so: «Es geht hier um unzählige E-Mails, die Sie als Leiter Kommunikation des EDI an den CEO des Ringier-Verlags, Marc Walder, geschickt haben, wobei Sie ihm immer wieder vertrauliche Informationen zukommen liessen.»

    «Es wird geklotzt, nicht gekleckert»

    Am Dienstag, 2. März 2021, schrieb gemäss dem Protokoll der Einvernahme Lauener an Walder: «Sehr unter uns: Wir bringen am Freitag ein umfangreiches Testpaket in den Bundesrat, das hoffentlich als Gamechanger hilft. Details kann ich Ihnen zirka am Mittwochabend geben. Es wird geklotzt, nicht gekleckert.»

    Marti wollte von Lauener in der Einvernahme wissen: «Wie kommen Sie dazu, Marc Walder an einem Dienstag Informationen zukommen zu lassen über etwas, was am Freitag dann im Bundesrat diskutiert werden wird?» Lauener antwortete: «Ich sage nichts.» Er machte in der Einvernahme keine Aussagen. 204-mal ist im Protokoll der Satz zu lesen: «Ich sage nichts.»

    Lauener liess Walder auch mehrmals am Tag, an dem die Bundesratssitzungen stattfanden, Informationen über mögliche Entscheide zukommen. Es geschieht hin und wieder, dass Bundeshausredaktoren an den Sitzungstagen vorab ins Bild gesetzt werden, meistens kurz vor der Veröffentlichung des Entscheids. Die Bundesangestellten erleichtern den Journalisten damit die Planung ihrer Arbeit. Die Medienschaffenden dürfen die Sperrfristen nicht brechen; sie dürfen also die Informationen nicht verbreiten, bevor der Bundesrat an Medienkonferenzen oder in Mitteilungen seine Beschlüsse dargelegt hat. An Laueners E-Mails fallen nun aber der Detaillierungsgrad und die Häufigkeit der Kontakte auf; er stellte Walder Entwürfe von Medienmitteilungen und andere Unterlagen zu, wiederholt mit erheblichem zeitlichem Vorlauf.

    Walder selbst sagte, er habe während der Pandemie «vielleicht wöchentlich» Kontakt mit Lauener gehabt. Diese Aussage machte er in der Einvernahme durch Marti gemäss dessen Protokoll.

    E-Mails über das private Konto

    Zum Teil lief der E-Mail-Verkehr auch über Laueners privates E-Mail-Konto bei Bluewin, nicht über seine E-Mail-Adresse beim Bund. Bundesrat Alain Berset sagte dazu in der Befragung: «Ich würde vertrauliche E-Mails nicht so weiterleiten.» Er gab aber zu, dass er auch schon E-Mails an seine Privatadresse habe weiterleiten müssen, «weil beispielsweise der Drucker nicht ging».

    Marti erwähnt in der Einvernahme ein mögliches Motiv der Amtsgeheimnisverletzungen, die er untersucht: Ringier habe im November 2021 das Magazin «Interview by Ringier» lanciert. In dieser Zeitschrift interviewte Bundesrat Berset den Sänger Stephan Eicher. Berset war dann auch am Lancierungsanlass des Magazins anwesend, unterhielt sich mit Marc Walder und liess sich dabei fotografieren. Marti wertet dies als «Gegenleistung für die positive Berichterstattung und die Beeinflussung des Bundesrats in der Ringier-Presse».

    Die Ringier-Medien verfolgten den Kurs, den der Gesundheitsminister in der Coronakrise einschlug, mit auffallendem Wohlwollen. Wobei viele Menschen in diesem Land – unabhängig von ihrer politischen Einstellung – der Meinung sind, dass die Schweiz vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen ist, mit eher geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Nicht nur die Ringier-Medien beurteilten Bersets Arbeit mehrheitlich positiv, auch der «Tages-Anzeiger» tat dies. Die Zeitung wusste ebenfalls wiederholt frühzeitig von den möglichen neuen Entscheiden der Landesregierung zur Coronapolitik. Im Fall der TX Group, die den «Tages-Anzeiger» herausgibt, gibt es aber keine Hinweise darauf, dass das Management oder gar der CEO direkt involviert war.

    Marti vermutete in der Einvernahme eine «Beeinflussung des Bundesrats»: Wenn ein Blatt noch vor der Bundesratssitzung schreibt, dass die Exekutive nun wahrscheinlich diesen oder jenen Beschluss fällen werde, gerät die Regierung möglicherweise unter Druck, das auch tatsächlich zu tun.

    Bersets coronapolitischer Gegenspieler im Bundesrat war Ueli Maurer (SVP), der strikte Massnahmen weitgehend ablehnte. Er sagte im Januar 2022 der «Schweiz am Wochenende»: «Der mediale Druck auf die Politik wurde enorm, es entstand nicht nur beim Bundesrat ein Verschärfungshype.» Unter diesem Druck hätten Bundesrat, Parlament und Kantone Massnahmen beschlossen, die im Rückblick vielleicht nicht nötig gewesen wären, erklärte Maurer.

    Die Haltung der Ringier-Medien zur Politik des Bundesrats in der Coronakrise wurde vom Unternehmenschef Marc Walder vorgegeben, der für harte Massnahmen eintrat, früh die Arbeit im Homeoffice verfügte und die 2G-Regel für den Bürozutritt erliess. Walder sprach 2021 an einer Veranstaltung der Schweizerischen Management Gesellschaft. «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen», sagte er. Und: «Die Medien dürfen keinen Keil treiben zwischen die Gesellschaft und die Regierung.» Der «Nebelspalter» machte die Äusserungen vor einem Jahr publik.

    Walder geriet daraufhin unter Druck. Er halte die Journalisten von Ringier dazu an, in einem wichtigen politischen Dossier vor dem Bundesrat zu kuschen, lautete der Vorwurf. Er wog umso schwerer, als der Abstimmungskampf über die Medienförderung lief und deren Gegner nun behaupteten, das Gesetz führe zu «Staatsmedien».

    Marc Walder verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass der «Blick» auch kritisch über die Coronapolitik des Bundesrats geschrieben habe. Er verwies dabei auch auf einen Text, den er selbst verfasst hatte: Walder hielt dem Bundesrat im März 2021 vor, dass der Bund unfähig sei, in der Bewältigung der Coronapandemie digitale Hilfsmittel anzubieten.

    Im Departement Berset wusste man damals Bescheid darüber, dass im «Blick» ein negativer Kommentar erscheinen würde. Einen Tag vor der Publikation schrieb Kommunikationschef Lauener an seinen Chef, Bundesrat Berset: «Ciao Alain. Wir haben Marc Walder nun auf 17.30 gebucht. Er will mit dir auch über die Digitalisierung sprechen, die ja nicht sooo toll läuft zurzeit. (…) Walder schreibt morgen einen kritischen Kommentar zur Digitalisierungsfrage.»

    Aus dem E-Mail geht hervor, dass Walder direkt mit Berset sprach. Bei Ringier weiss man, dass es dem Chef wichtig ist, mit wichtigen Leuten in Kontakt zu stehen. Und als die Pandemie ausgebrochen sei, habe man bei Walder Sorge, ja Angst bemerkt. Jedenfalls hielt er es für angezeigt, beim Innendepartement vorzusprechen. Walder bat nach Ausbruch der Pandemie die anderen Medienunternehmen, auf den Titelseiten ihrer Blätter den ganzseitigen Aufruf «Bleiben Sie zu Hause» zu platzieren. Der «Blick» unterstützte zudem die Impfkampagne des Bundes, indem er impfwillige Prominente zeigte.

    Einflussnahme hinter den Kulissen

    Walder liess die Bundesverwaltung aber auch hinter den Kulissen wissen, dass er für eine strikte Coronapolitik sei. Als es um die Öffnungszeiten der Restaurants ging, schrieb er Peter Lauener, er hoffe, dass das Szenario «jetzt nicht von den Kanonen zerschossen» werde (wobei er wahrscheinlich «Kantone» meinte).

    Walder und Berset wurden als Auskunftspersonen von Peter Marti einvernommen. Das Medienhaus erklärt zur Befragung des CEO: Die Ringier AG sei im Rahmen der Ermittlungen des ausserordentlichen Staatsanwalts des Bundes, Peter Marti, mit einer Untersuchung einer Drittperson konfrontiert worden. «Weder die Ringier AG, Tochtergesellschaften, Organe noch Mitarbeitende sind Beschuldigte in diesem Verfahren. Ringier AG kooperiert mit den zuständigen Behörden, unter Wahrung des Quellenschutzes.»

    Lauener musste nach der Einvernahme einige Tage in Untersuchungshaft zubringen. Peter Marti begründete seinen Haftantrag damit, dass ein dringender Tatverdacht bestehe, dass es zu Absprachen mit diversen Verfahrensbeteiligten kommen könnte und Beweismittel beiseite geschafft werden könnten. Laueners Verteidiger, Rechtsanwalt Matthias Brunner, bezeichnete den Antrag als «abwegig».

    Drei Wochen nach der Einvernahme verliess Peter Lauener Anfang Juni 2022 das Innendepartement. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass er künftig in einem Berner Kommunikations- und Beratungsunternehmen arbeiten wird.

    Der ausserordentliche Staatsanwalt Marti konnte verschiedene elektronische Geräte, die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, nicht auswerten. Lauener beantragte die Versiegelung. Das Zwangsmassnahmengericht Bern hat noch nicht über eine mögliche Entsiegelung entschieden.

    Dafür gibt es einen guten Grund: Lauener erstattete im vergangenen September Strafanzeige gegen Peter Marti. Er wirft ihm Amtsmissbrauch und allenfalls weitere Delikte vor. Nun ermittelt der ausserordentliche Staatsanwalt Stephan Zimmerli gegen den ausserordentlichen Staatsanwalt Peter Marti. Es läuft ein Strafverfahren.

    Marti war von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft damit mandatiert worden, mögliche Amtsgeheimnisverletzungen im Zusammenhang mit der Kryptoaffäre zu untersuchen. Ein Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft hätte die Verletzung des Amtsgeheimnisses begangen haben können – das war die rechtliche Grundlage des Auftrages.

    Marti weitete die Untersuchungen aus, als er darauf stiess, dass es im Zusammenhang mit der Coronapolitik des Bundesrates zu Verletzungen des Amtsgeheimnisses gekommen sein könnte. Die Frage lautet nun: Durfte er das? War es rechtlich zulässig, dass er in dieser Angelegenheit gegen Peter Lauener vorging?

    Lauener schmeichelt seinem Chef

    Unabhängig von dieser Abklärung drängt sich nun die Frage auf: Wusste Alain Berset davon, dass sein Kommunikationschef dem Chef von Ringier vertrauliche Informationen zukommen liess? Wenn ja, warum stoppte er diese Praxis nicht? Berset stand selber in Kontakt zu Marc Walder; in Laueners E-Mails finden sich mehrere Hinweise darauf.

    Dem Gesundheitsminister muss aufgefallen sein, dass der «Blick» mehrmals über Entscheide des Bundesrats vorzeitig informiert war. Kam Berset nicht auf den Gedanken, dass sein Departement mit möglichen Amtsgeheimnisverletzungen etwas zu tun haben könnte? «Wir nehmen dazu keine Stellung», schreibt Emma Bossin, Mediensprecherin des Innendepartements.

    Im Juni 2021 erstattete Bersets Departement Strafanzeige gegen unbekannt wegen Amtsgeheimnisverletzung. Die Coronamassnahmen des Bundesrates waren mehrmals vorzeitig in den Medien ausgebreitet worden, unter anderem im «Blick». Da die Kantone über die Varianten der Bundesratsbeschlüsse in verschiedenen Fällen um ihre Meinung angefragt worden waren, vermuteten damals einige Politiker und Medienschaffende, dass aus einer kantonalen Behörde vertrauliche Informationen an Journalisten weitergereicht wurden. Der Bundesrat änderte dann seine Informationspraxis: Er informierte die Öffentlichkeit mehrmals bereits, als er seine Varianten zur Konsultation an die Kantone schickte.

    Am 9. April 2021 feierte Bundesrat Berset seinen 49. Geburtstag. Peter Lauener schrieb ihm eine Nachricht, die einen Einblick gibt in die Beziehung zwischen dem Gesundheitsminister und seinem Untergebenen: «Cher Alain. Unglaublich, was du seit deinem letzten Geburtstag alles geleistet, gelernt, ausgehalten, erreicht hast. Und dabei hast du Professionalität, Konzentration, Humor und Empathie gewahrt.» Launer schloss sein E-Mail mit den Worten: «Von Herzen alles Gute und eine grosse Zigarre mit lieben Freunden und leckerem Wein.»

    Auf eine Anfrage zu den E-Mails, die er an den Chef von Ringier geschickt hatte, reagierte Peter Lauener nicht. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

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