Weltweit werden täglich gegen 100’000 neue Weblogs aufgeschaltet. Es bleibt zu vermuten, dass ebenso viele stillschweigend wieder vom Netz genommen werden – oder unbemerkt einschlummern.
Seit gestern hat die Schweizer Blogosphere ein prominentes Neumitglied: Moritz Leuenberger. Lobenswert, dass er sich diesem Medium persönlich annimmt und interaktive Diskussionen anstossen will . Ob damit die „politische Diskussion verbessert“ wird, wie er sich das wünscht – wir hoffen es.
Gegen 4000 Besuche und fast 300 Kommentare nach nur zwölf Stunden auf seinem Blog – ein Einstieg nach Mass. Auch der Niederschlag in den Tageszeitungen ist gross. Von „heute“ bis zur „NZZ“ greifen alle das Thema auf. Von sachlich nüchtern bis versucht süffisant („Ich, Moritz Bloggenberger“).
Womit wir beim Kern des Sache angelangt sind: Blogs erreichen, zumindest in unserem Land, nur dann eine gewisse Relevanz, wenn die etablierten Medien darüber berichten. Bundesrat Leuenberger ist das geglückt, kraft seiner Funktion.
Alle anderen, vorab die Kandidatinnen und Kandidaten, die um Aufmerksamkeit buhlen, werden im ganzen Jahr nicht so viele Besucher und Kommentare auf ihre individuellen Weblogs bringen, wie er binnen weniger Stunden. Das dürfte Neid erzeugen. Und massenweise Anfragen, ob der eigene Blog nicht mit demjenigen von Leuenberger verlinkt werden könnte. Der Erfolg hängt von der Anzahl Links ab, die im Netz auf sie aufmerksam machen.
Keine Zweifel: In der nächsten Fragestunde des Bundesrats, vermutlich noch in der laufenden Frühjahressession, wird Leuenbergers Blogger-Tätigkeit thematisiert werden. Ob er die Einträge in seiner Freizeit schreibe oder ob das zu den neuen Kernaufgaben eines Medienministers gehöre, könnte eine mögliche Frage lauten. Vermutlich ist sogar mit Vorstössen zu rechnen. Auch darüber dürfte wieder berichtet werden. Wir merken: Es geht um Aufmerksamkeit à tout prix, schliesslich sind wir in einem eidgenössischen Wahljahr.
Mark Balsiger