Inzwischen haben hierzulande alle das Abstimmungsmaterial für den 1. Juni erhalten. Die Einbürgerungs-Initiative steht dabei klar im Zentrum des Interesses. Allein: den Gegnern fehlt es an Geld für eine sichtbare Kampagne. Der vorläufige Höhepunkt im Abstimmungskampf dürfte die morgige “Arena” sein, in der Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf auf ihren Vorgänger trifft.
Leere Abstimmungskassen sind das eine. Auffällig ist, dass der Kampf gegen diese Initiative verhalten geführt wird. Der Besuch bei verschiedenen Websites brachte eine gewisse Ernüchterung:
– eine Partei verspricht eine “Pressemappe” zum Thema. Beim Klick darauf öffnet sich ein Dialogfenster mit einem Log-in. Keine Spur von PDF-Dokumenten zum Öffnen und Herunterladen.
– eine andere Partei bietet unter “Download” eine Musterpräsentation an. Bloss: Das Öffnen ist mit der gängigen Software nicht möglich.
– eine Non-Profit-Organisation hat Kampagnenmaterial wie Kleinplakate und A6-Postkarten kreiert. Schon seit Tagen heisst es allerdings im Bestellformular:
“Postkarten – Momentan aufgebraucht.”
Man darf sich am Kopf kratzen. Der Nachdruck von 5000 Postkarten kostete approx. 800 Franken und ginge in 48 Stunden über die Bühne. Ist es ratsam, drei Wochen vor dem Abstimmungstermin schon “ausgeschossen!” zu vermelden?
Das sind Momentaufnahmen, Details – aber sie lassen Zweifel am Engagement und Punch aufkommen. Schade. Auf der Seite der Befürworter passieren solche Fehler nicht.
Zur Erinnerung: Laut der letzten Umfrage von gfs.bern ist der Ausgang dieser Abstimmung offen (48 Prozent Ja, 37 Prozent Nein). Die Resultate der zweiten und letzten Umfrage werden Mitte nächster Woche veröffentlicht.
Nachtrag vom 16.05.2008, 13.00 Uhr:
Selten war eine Initiative derart leicht zu zerpflücken wie diese. Ich verlasse mit diesem Posting die neutrale Position, die ich in meinem Blog normalerweise pflege. Aus meiner Sicht die wichtigsten Argumente für ein Nein:
Mein Nachbar, nennen wir ihn Anton Brunner, möchte einen Ziegenstall bauen. Ich reiche gegen sein Baugesuch eine Einsprache ein. Als Begründung erwähnte ich den Schattenwurf des Stalls, der üble Geruch des Geissbocks und das allgemeine Gemecker. Die Behörde ist verpflichtet, sich meiner Einsprache anzunehmen und eine Ablehnung zu begründen. Wird sie abgewiesen, kann ich meine Einsprache an die nächste Instanz weiterziehen.
Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative wird Ausländern, deren Einbürgerungsgesuch abgelehnt wurde, die Rekursmöglichkeit entzogen. Mehr noch: Sie haben nicht einmal Anspruch auf eine Begründung. Das erinnert an eine Bananenrepublik ohne rechtsstaatliche Tradition, nicht an die Schweiz, die bislang gut gefahren ist mir ihrer Gewaltentrennung.
Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative würden nicht weniger Ausländer als bisher eingebürgert. Ein Ja hätte zur Folge, dass jede Gemeinde selber entscheiden darf, welche Gremium für Einbürgerungen zuständig ist. In Hinterfultigen wäre es beispielsweise die Gemeindeversammlung. In Vorderfultigen die Bürgerrechtskommission und in Unterfultigen die Exekutive. Das mehrstufige Prozedere ist bei Spezialisten, die sich regelmässig mit dieser Thematik auseinandersetzen, in den richtigen Händen.
Ich habe den Verdacht, dass es den Initianten bei dieser Abstimmungsvorlage vor allem um Publizität und das Schüren altbekannter Ängste geht. Ängste, die seit James Schwarzenbach und seiner Überfremdungs-Initiative vor bald 40 Jahren latent und diffus herumspuken. Die Einbürgerungs-Initiative taugt nichts, um die Immigration neu zu regeln. Das geschieht einerseits mit den bilateralen Verträgen, andererseits mit dem Ausländergesetz. Zudem: Nur etwa 120 von fast 3000 Schweizer Gemeinden hatten bis im Jahr 2003 die Einbürgerungen jeweils an der Urne bzw. an Gemeindeversammlungen vorgenommen. (Damals schritt das Bundesgericht nach dem berühmten Fall Emmen, der schweizweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, ein.)
Sujets:
– www.sosf.ch
– www.willkuer-nein.ch (FDP Schweiz)