Initiative Bärenparking: Formtest für die beiden grossen politischen Blöcke in Bern

Heute in einer Woche stimmen die Stadtbernerinnen und -berner über die Initative Bärenparking ab. Unweit des jetzigen Bärengrabens soll ein unterirdisches Parkhaus mit Platz für 250 bis 300 Autos entstehen. Ein Ja zur Initative bedeutete, dass die Stadt überhaupt mit der Planung für das Bärenparking beginnen soll. Ein konkreter Plan müsste erneut dem Stimmvolk vorgelegt werden.

Gucken wir uns zunächst einmal die Werbung an: Zuerst die Postkarte des gegnerischen Komitees:

Und hier das Sujet der Befürworter des Bärkenparkings, das seit Wochen mit vielen grossformatigen Plakaten das Stadtbild prägt.

Werbung soll übertreiben und zuspitzen. Diese beiden Beispiele zeigen exemplarisch, wie das umgesetzt werden kann, auch wenn sie über das Ziel hinausschiessen.

Spannender ist ein anderer Aspekt: Das Resultat der Volksabstimmung kann aufzeigen, in welcher Form die beiden grossen politischen Blöcke sind. Der Parolenspiegel präsentiert sich trennscharf zu den beiden grossen Lager, die sich in Verkehrsfragen stets bekriegen: die Bürgerlichen sind für das Bärkenparking, die Parteien von RotGrünMitte dagegen.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil in genau sechs Monaten die Wahlen für die Exekutive und das Parlament stattfinden werden. Weil auch der Gemeinderat – in Bern die Exekutive – im Proporzsystem gewählt wird, stehen die Listen bzw. die Blöcke im Vordergrund – nicht die Kandidierenden. Und gerade darum ist der Ausgang der Bärenparking-Initiative ein wichtiger Indikator für den Ausgang der Wahlen in die Exekutive.

Die Links zu den beiden Komitees:

www.baerenparking.ch
www.baerenparking-nein.ch

Eveline Widmer-Schlumpf vs Christoph Blocher: Das Duell in der “Arena” blieb aus


Die gestrige “Arena” über die Einbürgerungs-Initative war in erster Linie ein Medienereignis. Zu einem Showdown zwischen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und ihrem Vorgänger Christoph Blocher ist es nicht gekommen. Beide verzichteten auf persönliche Angriffe oder Sticheleien, beide sprachen über die Abstimmungsvorlage und nichts anderes. Widmer-Schlumpf argumentierte zuweilen etwas umständlich und formaljuristisch, phasenweise wieder souverän, aber stets ruhig. Blocher wiederum trat auf, wie man ihn kennt: temperament- und kraftvoll, blitzschnell im Kontern.

Der Ausgang der Abstimmung vom 1. Juni ist im Moment offen. Das gab der Sendung eine überragende Bedeutung. Entsprechend angespannt waren die Akteure im Ring wie in den hinteren Rängen. Über die gesamte Dauer fielen sie sich immer wieder ins Wort. Geschätzt ein Viertel aller Voten war akustisch kaum verständlich, weil zwei, drei oder sogar vier Protagonisten gleichzeitig drauflos redeten. Erinnerungen an die Anfangszeit der “Arena” Mitte der 90er-Jahre wurden wach.

Die Auseinandersetzung gestern Abend endete unentschieden. Trotzdem gibt es einen klaren Sieger: das Schweizer Fernsehen. Es dürfte eine Traumquote eingefahren haben.

Foto: Blick online

Einbürgerungs-Initiative: Leere Abstimmungskassen – wenig Engagement

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Inzwischen haben hierzulande alle das Abstimmungsmaterial für den 1. Juni erhalten. Die Einbürgerungs-Initiative steht dabei klar im Zentrum des Interesses. Allein: den Gegnern fehlt es an Geld für eine sichtbare Kampagne. Der vorläufige Höhepunkt im Abstimmungskampf dürfte die morgige “Arena” sein, in der Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf auf ihren Vorgänger trifft.

Leere Abstimmungskassen sind das eine. Auffällig ist, dass der Kampf gegen diese Initiative verhalten geführt wird. Der Besuch bei verschiedenen Websites brachte eine gewisse Ernüchterung:

– eine Partei verspricht eine “Pressemappe” zum Thema. Beim Klick darauf öffnet sich ein Dialogfenster mit einem Log-in. Keine Spur von PDF-Dokumenten zum Öffnen und Herunterladen.

– eine andere Partei bietet unter “Download” eine Musterpräsentation an. Bloss: Das Öffnen ist mit der gängigen Software nicht möglich.

– eine Non-Profit-Organisation hat Kampagnenmaterial wie Kleinplakate und A6-Postkarten kreiert. Schon seit Tagen heisst es allerdings im Bestellformular:

“PostkartenMomentan aufgebraucht.”

Man darf sich am Kopf kratzen. Der Nachdruck von 5000 Postkarten kostete approx. 800 Franken und ginge in 48 Stunden über die Bühne. Ist es ratsam, drei Wochen vor dem Abstimmungstermin schon “ausgeschossen!” zu vermelden?

Das sind Momentaufnahmen, Details – aber sie lassen Zweifel am Engagement und Punch aufkommen. Schade. Auf der Seite der Befürworter passieren solche Fehler nicht.

Zur Erinnerung: Laut der letzten Umfrage von gfs.bern ist der Ausgang dieser Abstimmung offen (48 Prozent Ja, 37 Prozent Nein). Die Resultate der zweiten und letzten Umfrage werden Mitte nächster Woche veröffentlicht.

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Nachtrag vom 16.05.2008, 13.00 Uhr:

Selten war eine Initiative derart leicht zu zerpflücken wie diese. Ich verlasse mit diesem Posting die neutrale Position, die ich in meinem Blog normalerweise pflege. Aus meiner Sicht die wichtigsten Argumente für ein Nein:

Mein Nachbar, nennen wir ihn Anton Brunner, möchte einen Ziegenstall bauen. Ich reiche gegen sein Baugesuch eine Einsprache ein. Als Begründung erwähnte ich den Schattenwurf des Stalls, der üble Geruch des Geissbocks und das allgemeine Gemecker. Die Behörde ist verpflichtet, sich meiner Einsprache anzunehmen und eine Ablehnung zu begründen. Wird sie abgewiesen, kann ich meine Einsprache an die nächste Instanz weiterziehen.

Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative wird Ausländern, deren Einbürgerungsgesuch abgelehnt wurde, die Rekursmöglichkeit entzogen. Mehr noch: Sie haben nicht einmal Anspruch auf eine Begründung. Das erinnert an eine Bananenrepublik ohne rechtsstaatliche Tradition, nicht an die Schweiz, die bislang gut gefahren ist mir ihrer Gewaltentrennung.

Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative würden nicht weniger Ausländer als bisher eingebürgert. Ein Ja hätte zur Folge, dass jede Gemeinde selber entscheiden darf, welche Gremium für Einbürgerungen zuständig ist. In Hinterfultigen wäre es beispielsweise die Gemeindeversammlung. In Vorderfultigen die Bürgerrechtskommission und in Unterfultigen die Exekutive. Das mehrstufige Prozedere ist bei Spezialisten, die sich regelmässig mit dieser Thematik auseinandersetzen, in den richtigen Händen.

Ich habe den Verdacht, dass es den Initianten bei dieser Abstimmungsvorlage vor allem um Publizität und das Schüren altbekannter Ängste geht. Ängste, die seit James Schwarzenbach und seiner Überfremdungs-Initiative vor bald 40 Jahren latent und diffus herumspuken. Die Einbürgerungs-Initiative taugt nichts, um die Immigration neu zu regeln. Das geschieht einerseits mit den bilateralen Verträgen, andererseits mit dem Ausländergesetz. Zudem: Nur etwa 120 von fast 3000 Schweizer Gemeinden hatten bis im Jahr 2003 die Einbürgerungen jeweils an der Urne bzw. an Gemeindeversammlungen vorgenommen. (Damals schritt das Bundesgericht nach dem berühmten Fall Emmen, der schweizweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, ein.)

Sujets:

www.sosf.ch
www.willkuer-nein.ch (FDP Schweiz)

Eine Zitterpartie, viele gelbe Karten

Volksabstimmungen eignen sich, um gelbe Karten zu verteilen. Das war am letzten Wochenende in der Stadt Bern nicht anders. Der Kredit für die Euro 08 über 5,6 Millionen Franken erreichte nur gerade 52,4 Prozent Ja-Stimmen. Dreiundfünfzig Jahre nach dem „Wunder von Bern“ folgte fast die „Blamage von Bern“.

Gelbe Karten gab es für die Stadt, weil Sparmassnahmen angekündigt oder bereits eingeleitet wurden. „Gelb“ gab es aber auch, weil Uefa und Fifa sich seit Jahren unanständig viel Geld zuschanzen und gleichzeitig die öffentliche Hand über Gebühr strapaziert wird. Hier stimmen die Dimensionen längst nicht mehr.

Das Ja musste regelrecht ins Ziel gerettet werden. Es stellt sich die Frage, ob während der Partie bzw. des Abstimmungskampfs genug gekämpft wurde? Womöglich nahmen die Befürworter die Stimmung und die wenigen Gegner nicht ganz ernst. Erst knapp vor der Abstimmung erreichte und Stimmbürger eine dünne Postkarte, die für ein Ja warb.

Mark Balsiger

Ein Kampf gegen die Gezeiten

Mit einem Zufallsmehr entschied das Parlament im Kanton Graubünden, das Stimmrechtsalter bei 18 zu belassen. 45 Nein gegen 44 Ja lautete das Verdikt gestern Abend. Nicht weniger als 31 Volksvertreter waren zur vorgerückten Stunde bereits nicht mehr im Ratsaal.

Das Nein aus Chur ist praktisch irrelevant. Die Glarner Landsgemeinde entschied Anfang Mai, das Stimmrechtsalter auf 16 Jahre zu reduzieren, letzte Woche folgte das Parlament im Kanton Bern. Noch diesen Sommer wird das Pendant in Basel-Stadt über dasselbe Thema debattieren und auch auf eidgenössischer Ebene wurde eine parlamentarische Initiative in Aussicht gestellt, die das Stimmrechtsalter 16 auf Bundesebene verlangt.

Die Welle ist ins Rollen geraten, aufzuhalten ist sie nicht mehr. Das Churer Nein ist ein Kampf gegen die Gezeiten. Ähnlich wie bei den Rauchverboten in Bars und Restaurants wird sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren Stimmrechtsalter 16 durchsetzen. Vorerst nur auf kantonaler Ebene, später womöglich auch auf nationaler Ebene. Und das ist auch gut so.

Auch wenn die Mehrheit der Jugendlichen apolitisch ist: Die Senkung von 18 auf 16 Jahre ist ein kleines Schrittchen in die richtige Richtung. Revolutionär wäre Stimmrechtsalter 0, ein Vorstoss, der verschiedentlich (wieder) auf dem Tisch liegt. Flankierend müssen nun die Lehrpläne zügig angepasst werden. „Politische Bildung“ wie der ehemalige Staatskundeunterricht heute heisst, gehört aber vor allem auch vermehrt in die Ausbildung angehender Lehrpersonen.

Stimmrechtsalter 16 ist kein Wahlkampfschlager, aber ein sympathischer Versuch von mehrheitlich jungen SP-Mitgliedern, im Wahljahr zu punkten. Dass ein beachtlicher Teil der jungen Erstwähler sich der SVP zuwenden, haben sie vermutlich ausgeblendet. Die “liebe Manne und Froue” der SVP in den Parlamenten Berns und Graubündens allerdings auch. Sonst hätten sie womöglich nicht Nein gestimmt.

Mark Balsiger