Das Zentralisierungsprojekt der SRG ist vorerst gestoppt

Dieses Signal ist überdeutlich: Der Nationalrat entschied heute mit 120 zu 54 Stimmen, sich gegen die Verstümmelung des SRF-Radiostudios Bern zu wehren. Das ist eine Watsche für die SRG-Führungsriege – gemeint ist nicht der Verwaltungsrat! -, die vor 14 Monaten die Zentralisierung am Standort Zürich-Leutschenbach ankündigte und seither um jeden Preis durchboxen will.

Seit 14 Monaten wiederhole ich immer wieder dasselbe:

> Nein, es geht nicht um Lokalpatriotismus!
> Ja, die SRG soll sparen – sie kann es auch. Bei diesem Zentralisierungsprojekt konnte sie allerdings bis heute nicht überzeugend belegen, dass es einen Spareffekt gibt. Vielmehr wurde versucht, den Umzug als alternativlos darzustellen.

Es ist entscheidend für die Qualität der SRF-Informationssendungen, dass TV und Radio nicht unter demselben Dach und von denselben Entscheidungsträgern im gemeinsamen Newsroom produziert wird. Die Folge wäre eine Verwässerung und Angleichung der Programme. Das darf sich ein Medienhaus, das zur Hauptsache von öffentlichen Geldern finanziert wird, nicht leisten.

Die undurchdachte Hauruckübung ist auch ein Desaster in Sachen Kommunikation und hat einen erheblichen Reputationsschaden für die SRG zur Folge – selbstverschuldet. Jetzt liegt es am Ständerat, also den Herren, die den Föderalismus hochhalten, auf die Position des Nationalrats einzuschwenken. Klar ist: Mit der Entscheidung des Nationalrats kommen die Umzugs- und Zentralisierungspläne ins Stocken. Wenn die Führungsriege der SRG die Zeit nutzt, um dieses Projekt in Ruhe zu überdenken, kommt sie vielleicht doch noch zum richtigen Schluss.

Ergänzend:
der Kommentar von «Bund»-Chefredaktor Patrick Feuz.

 

Im Schweizer Wahlkampf ist nicht «Big Money» im Spiel

Seit Jahrzehnten wabert eine Hypothese durch unser Land. Sie lautet:

Mit Geld lässt sich ein Sitz im eidgenössischen Parlament kaufen.

Bemüht wird sie von Politikerinnen und Politikern, deren persönliche Ambitionen nicht von Erfolg gekrönt wurden. Die Medien greifen das Thema in Wahljahren regelmässig und gerne auf, und womöglich untermauert PR-Altmeister Rudolf Farner den Plot. Er sagte vor mehr als 50 Jahren einmal: «Mit einer Million Franken mache ich aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Seither wird dieses Bonmot von Hinz und Kunz rezitiert, bei zahllosen Podien kommt es zur Sprache.

Würde die Hypothese stimmen, müsste das Parlament hauptsächlich mit FDP- und SVP-Mitgliedern besetzt sein. Das ist allerdings nicht der Fall. In der aktuellen Legislaturperiode haben die beiden genannten Parteien 46 Prozent der Sitze inne. Die Hypothese zerfällt also wie Staub. Auch wissenschaftlich konnte bis heute der Nachweis nicht erbracht werden, dass man mit Geld einen Sitz im National- oder Ständerat kaufen kann.

Dessen ungeachtet hat die Hypothese immer wieder Konjunktur. Dieser Tage wurde sie von der NZZ aufgegriffen, was mich zu dieser Replik herausfordert.

It’s the title, stupid! So riss die NZZ am 15. April ihren Artikel über Wahlkampfkosten im Allgemeinen und Rogel Köppel im Speziellen an.

Zerlegen wir Titel und Lead dieses Artikels.

1.  Die Situation im Kanton Bern:

Einer der beiden Ständeratssitze wird durch den ordentlichen Rücktritt von Werner Luginbühl (BDP) frei, was zu mehr Dynamik führt. Dass die Wahlkampagnen der sieben Kandidierenden insgesamt etwa eine Million Franken kosten werden, ist plausibel. Die Aussage im Titel, dass «die Parteien für einen Sitz im Ständerat immer mehr Geld ausgeben», wird aber nirgendwo belegt. Ein Vergleich mit früheren Wahlen fehlt, sei es 2015, 2011 oder noch früher.

Die «Kriegskasse» eines Ständeratswahlkampfs wird alimentiert durch

– einen Beitrag der Partei;
– Spenden von Verbänden, Firmen und Privaten;
– eigene Mittel.

Der Blick auf die Berner Ständeratswahlen zeigt exemplarisch: Was die Kantonalparteien an die Kampagnen ihres Spitzenpersonals beisteuern, ist sehr bescheiden, liegt es gemäss einer Erhebung der «Berner Zeitung» doch bei weniger als 200’000 Franken. Wie kommt die NZZ darauf, von «immer mehr Geld» zu schreiben?

2.  Insider schätzen die Kosten von Roger Köppels Wahlkampagne auf mindestens eine halbe Million Franken:

Keine Frage, 500’000 Franken sind eine erkleckliche Summe. Damit kann man eine robuste Wahlkampagne fahren, die allerdings vor allem wegen den Medien, die jedes Augenzwinkern Köppels thematisieren, druckvoll wird. Dass sein Budget eine neue Höchstmarke bedeutet, wie der Titel insinuiert, ist allerdings schlicht falsch. Die Ausmarchungen um die beiden Zürcher Sitze sind schon lange ausgesprochen kompetitiv, was während der Offline-Wahlkämpfe der Achtziger-, Neunziger- und zu Beginn der Nullerjahre ins Geld ging. (Ich machte 2003 eine Erhebung von rund 1400 Wahlkämpfen in der Schweiz und kenne deshalb auch die Budgets aus dem Kanton Zürich.)

 

Betrachten wir das grosse Ganze: Die Realität in den USA zeigt, wie Partikularinteressen und Geld die Politik deformiert hat. Political Action Commitees (PAC) und Super-Pacs beherrschen die Szene, weil sie immens viel Geld für die Wahlkämpfe ihrer Favoriten generieren können. Die Schweizer Parteien hingegen sind arm wie Kirchenmäuse, bei uns ist nicht «Big Money» im Spiel. Trotzdem erachte ich es als wertvoll, dass die Transparenz-Initiative bald eine vertiefte Debatte über die Parteien- und Wahlkampffinanzierung ermöglicht.

«Wenn weder die politische Grosswetterlage stimmt, noch das Framing durchschlägt, erzielt Wahlwerbung auch bei einem Budget von 500’000 Franken keine Wirkung.»

Mark Balsiger

Wissen Sie, was einzelne Posten im Wahlkampf kosten? Vermutlich nicht. Bloss ein Beispiel: Für ein halbseitiges Inserat im «Tages-Anzeiger», schwarz-weiss, bezahlt man 14’520 Franken, für eines mit Textanschluss übrigens bereits 24’288 Franken. Man kann unendlich viel Geld in die Wahlwerbung buttern. Die Kreativwirtschaft, die gebeutelten Medienverlagen und die Tech-Giganten Google, Facebook & Co. freut’s. Etwas darf man dabei nicht vergessen: Wenn weder die politische Grosswetterlage stimmt, noch das Framing durchschlägt, erzielt Wahlwerbung auch bei einem Budget von 500’000 Franken keine Wirkung. Und wer glaubt im Ernst, dass wegen ein paar Inseraten, Plakaten, gesponserten Facebook-Ads und einer 20-Sekunden-Interaktion an einem Öpfeli-Flugblätter-Stand auf dem Bahnhofplatz plötzlich viele Nichtwähler zu Wählern werden?

Die Fixierung auf die Wahlwerbung halte ich ohnehin für unzureichend. Wenn ein Dutzend Supporter einer ambitionierten Kandidatin während Monaten ihre Freizeit für sie opfern, sei es beim Adressen Generieren, beim Haustür-Wahlkampf usw., so müsste diese Unterstützung ein Preisschild haben. Wenn Profi-Campaigner mitwirken, wie das bei Cédric Wermuths Ständeratskandidatur der Fall ist (sie wechselten vom Generalsekretariat der SP Schweiz zum Aargauer), hat das mehr Wert als viele Werbefranken.

Geld ist zwar wichtig im Wahlkampf, das 26-Erfolgsfaktoren-Modell, das ich 2006 entwickelt hatte, zeigt aber, dass die Anker-Faktoren wichtiger sind:

Gemäss der Studie, die zu meinem Buch «Wahlkampf in der Schweiz» (2007) führte, haben Anker-Faktoren (unten) die grösste Bedeutung. Es folgen die Engagement-Faktoren (Mitte) und an dritter Stelle die Verpackungsfaktoren. Tatsache ist, dass eine Mehrheit der Wahlkampagnen in der Schweiz auf Verpackungs-Faktoren und dabei insbesondere auf Medienmix und Slogans fokussieren.

“Berner Zeitung” und “Der Bund” beginnen zu verschmelzen

Die definitive Entscheidung fällt zwar erst nächste Woche, aber die Stossrichtung ist klar und wurde deshalb bewusst geleakt, das erste Mal bereits im Mai in der “NZZ am Sonntag”: Der Verwaltungsrat des Zürcher Medienkonzerns Tamedia wird auf dem Platz Bern Tabula rasa machen. „Berner Zeitung“ und „Der Bund“ bleiben zwar als Titel bestehen, werden aber zu einem rechten Teil mit demselben Inhalt gefüllt – aus dem Kompetenzzentrum, wie das schönfärberisch genannt wird. Einzig im Lokalen bzw. Regionalen gibt es noch unterschiedliche Themen und Gewichtungen. Vorerst.

Mit dieser Massnahme können die Kosten weiter gedrückt werden, viele Journalistinnen und IT-Fachleute verlieren ihre Jobs. Erinnerungen an das Mai-Massaker im Jahr 2009 werden wach, als Tamedia 79 Vollzeitstellen strich und viele langjährige Angestellte auf die Strasse stellte.

„Berner Zeitung“ und „Bund“ unterscheiden sich stark, was Auswahl, Gewichtung, Stil und Kommentierung betrifft. Nehmen wir die Unternehmenssteuerreform III als Beispiel: Vor der Abstimmung vom 12. Februar plädierte der „Bund“ in einem Leitartikel für ein Ja, die „Berner Zeitung“ für ein Nein. Aus demokratiepolitischen Gründen ist es fatal, wenn dieselbe Newsfabrik denselben Content für beide Zeitungen liefert.

Ich bin nicht Gewerkschafter, sondern besorgter Staatsbürger, der seine Augen nicht vor der Realität verschliesst: Im Mediengeschäft herrscht ein intensiver Verdrängungskampf, die Auflagen der gedruckten Zeitungen sinken, die Werbeeinnahmen brechen weg, Google, Facebook und Amazon machen den grossen Reibach. Während Jahrzehnten bildeten die Rubrikeninserate für Immobilien, Autos, Stellen, käufliche und ewige Liebe das ökonomische Rückgrat für die Zeitungen. Inzwischen sind sie fast komplett ins Netz abgewandert.

Nur: „Berner Zeitung“ und „Bund“ waren in den letzten Jahren wie alle anderen Titel im Tamedia-Portfolio profitabel, die Renditen gemäss Medienökonomen höher als während den goldenen Zeiten ohne Internet.

Einen Teil der Gewinne hätte man in die Redaktionen investieren können – nein, müssen! Stattdessen wurden beim „Bund“ immer weiter Stellenprozente reduziert. Und bei der „Berner Zeitung“ fiel die Wochenendbeilage „Zeitpunkt“, seit vielen Jahren ein leuchtendes Beispiel für Qualitätsjournalismus, dem Sparhammer zum Opfer. Es ist zum Heulen.

Die beinharten Medienmanager interessieren sich nicht für Publizistik und Qualität. Sie fokussieren auf reichweitenstarke Communitys, Native Advertising, Klicks, bewegte Bilder und Zahlen. Tamedia machte 2015 übrigens einen Reingewinn von 334 Mio. Franken (CEO Christoph Tognini erhielt einen Bonus von 6 Mio.), 2016 erwirtschaftete der Konzern ein Plus von 122 Mio. Franken.

Das Grundproblem hat einen Namen: Gratiskultur.

Die Gratiskultur wurde im Jahr 2000 salonfähig: An Bahnhöfen und Bushaltestellen liegen seither Pendlerzeitungen wie „Metropol“ (2002 wieder eingestellt), „20 Minuten“ oder „Blick am Abend“ auf, die Kurzfutter und viele bunte Bilder anbieten. Wenn Milo Moiré bei „Big Brother“ blankzieht, sieht sie vermutlich ganz gut aus dabei. Für die 8,2-Millionen-Gesellschaft zwischen Rorschach und Genf ist das aber nicht von Bedeutung.

Die Werbewirtschaft drängte anfänglich mit ihren Inseraten in diese neuen, auflagestarken Blätter, und entsprechend war der kommerzielle Erfolg riesig (In der Schweiz allerdings nur für “20Minuten”.) Dumm nur, dass die Pendlerzeitungen gleichzeitig die Kaufzeitungen aus denselben Medienverlagen kannibalisieren. Einen Anteil an der verfehlten Entwicklung haben die Newsportale, weil sie ihre Inhalte mehrheitlich gratis anbieten.

Die Entscheidung zugunsten der Gratiskultur ist der gravierendste Fehler in der langen Geschichte der Presse. Journalistisch aufbereitete Information darf nicht gratis sein, weil dahinter qualitative Arbeit und Produktionskosten stecken. Einem Bäcker würde es auch nicht in den Sinn kommen, den Passanten von Montag bis Freitag kostenlos Gipfeli abzugeben in der Hoffnung, diese würde dann am Samstag Zopf, Konfitüre und Schwarzwäldertorte bei ihm kaufen.

Grob geschätzt bis zu 80 Prozent der Inhalte von „Berner Zeitung“ und „Bund“ dürften in Zukunft identisch sein. Die beide Blätter verschmelzen zu einem Einheitsbrei, und das in der Hauptstadt einer der ältesten und stabilsten Demokratien! Was passiert mit ebendieser Demokratie, wenn die Medien mangels Ressourcen ihre Aufgabe als Wächter nicht mehr wahrnehmen? Und vor allem, liebe Bernerinnen, liebe Freunde einer intakten Demokratie, was machen wir jetzt? Die letzte Frage stelle ich als Initiant des Komitees „Rettet den Bund“, das 2008/2009 gegen eine Fusion von “Bund” und “Berner Zeitung” gekämpft hatte.

 

P. S.  Gestern trafen sich die Belegschaften von “Berner Zeitung” und “Bund” über Mittag zum Austausch vor dem Hauptsitz am Dammweg – einem Protestrisotto. Auf Facebook gibt es inzwischen eine Page mit dem Namen “Rettet die Berner Zeitungen”.

Rot-Grün rennt kopflos an

Im Kanton Bern hat sich Rot-Grün also auf eine Offensivstrategie geeinigt. SP und Grüne wollen bei den Gesamterneuerungswahlen für die Regierung, die im März 2018 stattfinden, wieder die Mehrheit erobern. Damit ein solches Ansinnen erfolgreich wird, bräuchte es die drei grossen “P”: Programm, Personal, Plan. Sichtbar werden sie allerdings kaum, das Vorpreschen wirkt kopflos. Meine kritische Einschätzung. 

Für einen Regierungswechsel, egal in welche Richtung, braucht es die drei grossen “P”: Programm, Personal, Plan. Ich skizziere sie kurz:

Programm:
Die Herausforderer müssen frühzeitig definieren, mit welchen Themen und Schwerpunkten sie die Wende erreichen wollen. Am Anfang der Analyse könnte eine Befragung der Bürgerinnen und Bürger stehen. Ist das Programm einmal erarbeitet, beginnt die Überzeugungsarbeit, zuerst in der eigenen Basis, dann beim breiten Publikum.

Personal:
Majorzwahlen sind Persönlichkeitswahlen, es geht um Köpfe. Frühzeitig die bekanntesten, profiliertesten oder glaubwürdigsten Mitglieder aufs Schild zu hieven, ist zentral. Die Auserkorenen müssen hungrig auf den Erfolg sein, alles in seinen Dienst stellen und angreifen. Ihre Positionsbezüge sind klar und verständlich, Provokationen gehören dazu, plumpe Angriffe hingegen nicht.

Plan:
Zentral ist eine kohärente Strategie, die frühzeitig entwickelt wurde. Die Schwachpunkte des Gegners – programmatisch und personell – hat man evaluiert und getestet. Mit diesem Fundament lässt sich hernach ein Wahlkampf der ruhigen Hand führen, das Programm der Herausforderer – das bessere! – muss die Masse erreichen und überzeugen.
So viel zur Theorie. Betrachten wir nun die drei grossen “P” im Kontext mit dem Vorpreschen von SP und Grünen im Kanton Bern.

– Ein Programm wurde heute Morgen nicht vorgestellt. Wir dürfen davon ausgehen, dass noch keines vorhanden ist. Auf der Website findet man derzeit bloss eine knapp abgefasste Medienmitteilung, that’s it. Der Slogan “Aufbruch statt Abbruch” hat zwar Potential, aber ohne konkrete Inhalte verpufft er im Nichts. Sie erst im Herbst oder während der Weihnachts zeit zu vermitteln wäre reichlich spät.

Der Kanton Bern steckt strukturell in einer ausgesprochen schwierigen Situation. Neue Ansätze, die weit über Pflästerlipolitik und Kritik am neuen Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg hinausgehen, wären zwingend.

– Das Personal, das die Wende zu Rot-Grün erreichen soll, steht nicht bereit. Bislang ist nur klar, dass Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann (SP), vor einem Jahr gewählt, wieder kandidiert. Barbara Egger (SP) wird im nächsten Frühling zurücktreten; ihre potenzielle Nachfolgerin aber erst im Sommer nominiert. Gemeldet sich Nationalrätin Evi Allemann sowie die beiden Grossrätinnen Nicola von Greyerz (Bern) und Ursula Zybach (Spiez). Unklar ist, ob Bernhard Pulver (Grüne), der seit 2006 der Erziehungsdirektion vorsteht, nochmals kandidiert. Die stärkste Figur in der siebenköpfigen Regierung will sich im Sommer entscheiden. Hört Pulver auf, wird es für die Grünen eng. Nur wenn sie mit einer ihren beiden Nationalrätinnen Regula Rytz oder Christine Häsler antreten, haben sie gute Chancen, diesen Sitz zu verteidigen.

– Der Plan, die bürgerliche Mehrheit anzugreifen, steckt noch in einem frühen Stadium. Die Spitzen von SP und Grünen haben sich darauf verständigt, die Basen beiden Parteien werden diese Offensive in den nächsten Monaten abnicken. Klar ist: Wenn die Wende gelingen sollte, dann mit einem Kampfkandidaten aus dem Berner Jura. Rot-Grün zielt auf Schnegg. Das ist keine Überraschung und strategisch richtig. Bloss fehlt der SP im Berner Jura ein bekannter Kopf, der sich aufdrängen würde.

Die beiden linken Parteien schlagen mit ihrer Offensive den Mitteparteien EVP und GLP die Türe vor der Nase zu. Das ist ein Fehler, die EVP hätte in ein Rot-Grün-Mitte-Bündnis gepasst und wertvolle Stimmen geliefert (während die GLP kaum eingestiegen wäre).

Fazit: Die drei grossen “P” kann Rot-Grün in weiten Teilen nicht liefern. Ohne Programm und Personal zum Angriff zu blasen, ist kopflos. Dass die SP mit einem Wähleranteil von 20 Prozent drei Sitze anstrebt, ist schwierig zu vermitteln. Die Bürgerlichen sind hingegen in einer komfortablen Situation: Mit grossen Wahrscheinlichkeit werden drei der vier Bisherigen wieder antreten: Beatrice Simon (BDP, seit 2010 im Amt), Christoph Neuhaus (SVP, seit 2008) und Pierre Alain Schnegg (SVP, seit 2016). Einzig Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP, seit 2006) hört auf und muss ersetzt werden. Die Statistik belegt, dass 92 Prozent aller bisherigen Regierungsräte in der Schweiz wieder gewählt werden.

Sind die Spitzen von BDP, FDP und SVP clever, ziehen sie mit einem Quartett in den Wahlkampf – den drei Bisherigen und einem neuen Freisinnigen. Damit sichern sie sich am 25. März 2018 ohne Angstschweiss vier Sitze, zumal der Kanton Bern eine strukturelle bürgerlich wählende Mehrheit hat.

Vereinzelte Bürgerliche dürften jetzt Morgenluft wittern und versucht sein, ebenso auf eine Offensivstrategie hinzuwirken, will heissen: Fünf Kandidaturen. Das könnte ins Auge gehen. Erinnert sei an die Gesamterneuerungswahlen 2006, als SVP und FDP mit sechs Kandidaturen (4 SVP, 2 FDP) antraten, vom Wahlvolk für ihre Arroganz aber abgestraft wurden und die Mehrheit an Rot-Grün verloren. Der SVP-Präsident Hermann Weyeneth, eine begabte Spielernatur, hatte sich für einmal kräftig verzockt.

Ergänzung vom 8. April:

Die “Berner Zeitung” kommt zu einem anderen Schluss als ich: Sie kritisiert das mutlose Vorgehen. Im Berner Jura habe die SP nichts zu verlieren und könne dort aus dem sicheren Schützengraben heraus SVP-Mann Pierre Alain Schnegg angreifen. “Wer so ängstlich taktiert, kann es nicht richtig ernst meinen mit der Rückeroberung der rot-grünen Mehrheit.” Der Kommentar:

Mutloser Alibi-Angriff (BZ, Philippe Müller)

Ob rot-grün oder bürgerlich ist einerlei

weichen-Luke-Sharrett-Bloomberg_1421000315451770Im Kanton Bern ist die rot-grüne Regierungsmehrheit also Geschichte. Die Bürgerlichen schafften im vierten Anlauf die Wende, Pierre Alain Schnegg (SVP) distanzierte heute Roberto Bernasconi (SP) um 4000 Stimmen. Dass der SP-Kandidat 49,1 Prozent aller Stimmen holte, ist die Überraschung des Tages. Er selber ist enttäuscht über sein Abschneiden im Berner Jura – seiner Heimat, wo er nur 42,9 Prozent erreichte.

Die Bürgerlichen jubeln – zu Recht. Es geht um Prestige und Psychologie.

Die Linken fürchten Sozialabbau – zu Recht. Sie warnen vor der „ausgepressten Zitrone“.

Parteipolitisch Unabhängige (wie ich) zucken mit den Schultern – zu Recht. Bei Lichte betrachtet ist der Handlungsspielraum der Berner Regierung sehr bescheiden, die parteipolitische Zusammensetzung hat wenig Bedeutung. Who cares! Man müsste stattdessen endlich die echten Herausforderungen erkennen, oder, um eine andere Floskel zu bemühen, die Weichen stellen.

Zehn Jahre lang war Gesundheitsdirektor Philippe Perrenoud (SP) ein dankbarer Sündenbock. Als ausgebildeter Arzt hat er zwar einen guten Rucksack, mit der Feinmechanik der Politik kam er aber nie richtig klar, zudem wirkte er isoliert und kommunikativ überfordert. Die Kritik an seiner Amtsführung war oft berechtigt, meistens parteipolitisch motiviert, zuweilen aber nur dumpfbackig.

Die bequemen Zeiten der Schlagworte und Attacken sind vorbei, jetzt muss ein neuer Gesundheitsdirektor zeigen, dass er ein Bessermacher ist. Er kann nur Schnegg heissen, alles andere wäre nach diesem Wahlkampf ein Affront. Ich habe ihn gewählt – im ersten und im zweiten Wahlgang. (So viel Transparenz muss in diesem Posting sein.) Im ersten Wahlgang vom 28. Februar wählte ich zudem Christoph Ammann (SP). Diese beiden Kandidaten machten mir den besten Eindruck.

„Ob rot-grün oder bürgerlich ist einerlei“, analysierte ich am 30. März 2014, am Tag der letzten Gesamterneuerungswahlen. Denselben Text hätte ich auch schon vor zehn Jahren publizieren können. Die Essenz davon kopiere ich nach den Löwen in dieses Posting hinein, die beiden Namen im letzten Abschnitt sind austauschbar:

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“Auch in den nächsten Jahren
stehen opfersymmetrisch geschnürte Sparpakete im Zentrum. Die tiefgreifenden strukturellen Probleme des Kantons schiebt man hingegen weiter vor sich her. Die Regierungsrätinnen und Regierungsräte sind zu stark vom Alltagsgeschäft absorbiert, die meisten Grossräte agieren vor allem als Interessenvertreter ihrer Region. Politik, die gestaltet und das „Big Picture“ im Fokus hat, sieht anders aus.

Offensichtlich kann der Kanton Bern seine Vergangenheit nicht abschütteln: Schon in den 1920er-Jahren begann sich die Unsitte der Subventionsjägerei durchzusetzen. Von 1929 bis 1979 stellte die SVP und ihre Vorläuferpartei, die BGB, immer einen Bundesrat – von Rudolf Minger bis Rudolf Gnägi. Das erleichterte den Zugang zur Bundesverwaltung und den Honigtöpfen. Wer wollte schon gegen den Bauernstand sein, als ringsum Krisen und Kriege ausbrachen? Dieses Handeln wurde quasi zur DNA des Kantons, er verschlief die weiteren Wellen der Industrialisierung, für den nationalen Flughafen in Utzenstorf (anstelle von Zürich-Kloten) mochte die allmächtige Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) nicht kämpfen, Bern blieb ein Agrarkanton. Selbstgerechtigkeit und das Verwalten von Pfründen haben ihn träge gemacht.

Fazit: Es ist gehupft wie gesprungen, ob Perrenoud oder Bühler in der Kantonsregierung sitzt. Viel wichtiger wäre es, dass sich ein paar starke Figuren aus Politik und Verwaltung auf einen Weg mit Zukunft einschwören könnten. Bis der Aufbruch im Kanton Bern beginnt, kann es dauern, noch haben viele Akteure den Ernst der Lage nicht erkannt. Womöglich wird sogar YB vorher noch Schweizer Fussballmeister.”

Mark Balsiger

 

Kommentare etablierter Medien: Nachtrag vom 4. April 2016:

Die Zeit der Schlagworte ist vorbei (Der Bund, Marcello Odermatt)
Die bürgerliche Wende ist eine Chance (Berner Zeitung, Peter Jost)
Bürgerliche Wende (NZZ, Valerie Zaslawski)

Die bürgerliche Wende ist eine plakative Forderung, ohne Inhalte zu präsentieren

Am 28. Februar finden im Kanton Bern Ersatzwahlen für den Regierungsrat statt, nachdem die beiden SP’ler Andreas Rickenbacher und Philippe Perrenoud ihren Rücktritt bekannt gegeben haben. Sechs Kandidaten bewerben sich um diese beiden Sitze, vier haben Chancen. Plakate, auf der Strasse Mützen und Äpfeln verteilen, ein Medienparcour – das ist der Wahlkampf. Inhalte nimmt man kaum wahr. Das linke Online-Portal “Journal B” befragte mich zu diesen Wahlen, das Interview darf hier zweitverwertet werden.

 

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Was sagen Sie zum Verhalten der beiden amtierenden SP-Regierungsräten? War das nicht ein völlig unnötiger und rein persönlich motivierter Doppelrücktritt? Und das erst noch zur Unzeit?

Mark Balsiger: Bei dieser Frage schwingt subtil etwas Negatives mit, das ich nicht teile. Nach zehn Jahren ist es legitim, sich neu zu orientieren. Wenn Berufspolitiker die letzte Phase bis zur Pension nur noch lustlos und dünnhäutig ihre Pflicht erfüllen, ist das jedenfalls schlechter. Andreas Rickenbacher und Philippe Perrenoud wurden zweimal im Amt bestätigt; das ist in einem durch und durch bürgerlichen Kanton wie Bern beachtlich. Es liegt auf der Hand, dass die beiden SP-Mitglieder den Hut nehmen wollten, bevor 2018 der grosse Wechsel kommt. Perrenouds Rücktrittsankündigung, nur wenige Wochen nachdem Rickenbacher seinen Abgang bekanntgegeben hatte, halte ich für einen raffinierten Schachzug. Dank der Zweiervakanz kann die SP womöglich einen Sitz retten.

Was hat die rot-grüne Mehrheit überhaupt für eine Bedeutung angesichts der bürgerlichen Mehrheit im Grossen Rat? Macht es Sinn, sie aufrecht erhalten zu wollen?

Ich muss ausholen: Der rot-grüne Sieg von 2006 basierte nicht auf einer gerissenen Strategie oder einem überzeugenden Wahlkampf. Er kam nur zustande, weil die damalige SVP-Spitze mit sechs bürgerlichen Kandidaten – vier SVP-Vertreter, zwei Freisinnige – den Bogen komplett überspannte. Das Volk hat auf deren übermässigen Machtanspruch sensibel reagiert – und korrigiert. Für Rot-Grün war dieser Sieg psychologisch wichtig. In der realen Tagespolitik hat die parteipolitische Zusammensetzung einer Regierung wenig Bedeutung, ihr Handlungsspielraum ist sehr bescheiden.

Der Kanton Bern hat tiefgreifende strukturelle Probleme, die seit Jahrzehnten bestehen. In den Zwanziger- und Dreissigerjahren begann eine ungesunde Entwicklung: Die damals übermächtige BGB – die heutige SVP – betrieb von da an Subventionsjägerei. Dank ihrem garantierten Berner Sitz im Bundesrat und der räumlichen Nähe zur Bundesverwaltung war das einfach. Wer wollte schon gegen den Bauernstand sein, als ringsum Krisen und Kriege ausbrachen. Dieses Denken und Handeln wurde quasi zur DNA des Kantons, er verpasste die weiteren Industrialisierungswellen mit den bekannten Folgen.

Will die rot-grüne Regierung einem bürgerlichen Parlament gegenübersteht, war vieles während Jahren blockiert. In welchen Bereichen zeigte sich dies am schmerzhaftesten?

Das Schlagwort Blockade ist bloss rhetorisch. Insgesamt kann man nicht von einer Blockadepolitik sprechen. Der klar bürgerlich geprägte Grosse Rat hatte mit Gesundheitsdirektor Perrenoud einen dankbaren Sündenbock. Zehn Jahre lange wurde er immer wieder geprügelt – manchmal berechtigt, manchmal nicht. Als Bernjurassier schien er mir isoliert und kommunikativ überfordert zu sein. Allerdings führt er auch die schwierigste Direktion. Es wird spannend sein zu beobachten, wie ein SVP-Gesundheitsdirektor Guggisberg oder Schnegg mit den äusserst komplexen Dossiers zurecht kommt – und wie Perrenouds Nachfolger sich mit dem Grossen Rat arrangiert. Für die SP dürfte es eine grosse Erleichterung sein, wenn sie keine Schlüsselperson mehr dauerhaft im Schussfeld hat.

Was hat im Rückblick die Kohabitation gebracht? Ist die Bilanz so schlecht, dass man sie grad freiwillig aufgibt?

Der Vergleich mit der Kohabitaton in Frankreich ist überzeichnet, weil dort der Präsident eine allmächtige Position hat. Davon wagen Berner Regierungsratsmitglieder nicht einmal zu träumen. Die Bilanz der rot-grünen Kantonsregierung ist bescheiden, aber Würfe sind ohnehin nicht möglich. Bis in ein paar Jahren muss eine kompakte Exekutive wissen, wie sie den Kurs des Kantons kräftig korrigieren will. Das Sparprogramm ASP im Jahr 2013 war dagegen ein Nasenwasser.

Es gab ein Prestigeprojekt der rot-grün dominierten Regierung und von Baudirektorin Barbara Egger (SP), welches das Scheitern idealtypisch zeigt: die Energiepolitik. Das fortschrittliche Energiegesetz wurde zuerst im Grossen Rat zerpflückt und dann vom Volk bachab geschickt.

Der Gegenvorschlag bringt zu wenig. Hier zeigt sich, dass bei den meisten Bernerinnen und Berner noch kein Umdenken eingesetzt hat. Bis in ein paar Jahrzehnten gibt es keine fossilen Energien mehr, entsprechend sollte man jetzt den Umbau der Energieversorgung konsequent vorantreiben.

Was wären die konkreten Folgen, wenn es jetzt zur bürgerlichen Wende kommt?

Bei den nächsten Sparpaketen wird der Protest im Grossen Rat etwas lauter ausfallen. Sonst? Nichts. Die bürgerliche Wende ist ja bislang bloss eine plakative Forderung, die SVP hat sie bislang nicht mit Inhalten, mit einem Programm, gefüllt. Bedenklich, dass weder die politische Konkurrenz noch die Medien diesen Schwachpunkt thematisieren. Gerade im Kontext mit der Durchsetzungsinitiative, die wirtschaftsfeindlich ist, könnte man die beiden SVP-Kandidaten herausfordern. Aber eben, Bern ist Bern und es läuft gäng wie gäng.

Wie schwer ist es, die Mehrheit in der Regierung bei den ordentlichen Wahlen im Jahre 2018 zum Beispiel mit Evi Allemann zurückzuholen?

Der Kanton tickt bürgerlich, und das wird auch so bleiben. Coups der Linken wie bei den Gesamterneuerungswahlen 1986 und 2006 sind nur möglich, wenn SVP und FDP gravierendste Fehler machen.

Und wie sehen die Chancen von Evi Allemann aus?

Sie ist auf die Nachfolge von Barbara Egger eingespurt, wurde – wie Ursula Wyss – in ihrem Auftritt milder und hat sich als Verkehrs- und Sicherheitspolitikerin im Nationalrat einen Namen gemacht. Mit den vielen rot-grünen Stimmen aus den beiden grossen Städten hat sie gute Chancen gewählt zu werden. 2018 dürften auch FDP-Regierungsrat Hansjürg Käser und Bernhard Pulver (Grüne) zurücktreten. In einer solchen Konstellation hätte die Linke grosse Mühe, ihre Sitze zu verteidigen.

Die SP-Personalpolitik ist derzeit auch auf Stadtebene problematisch: Ursula Wyss wurde viel zu früh als Kandidatin fürs Stadtpräsidium aufs Tapet gebracht und bei den Männern ist die Auswahl mit Aebersold und Marbet nicht gerade berauschend.

Chabis! Wenn die SP mit einem Wählerinnenanteil von nahezu 30 Prozent frühzeitig die Frage der Stapi-Nachfolge geklärt haben will, ist das geschickt. Michael Aebersold ist ein Chrampfer, der sich seit vielen Jahren für die Partei einsetzt. Ihm traue ich das Gemeinderatsamt zu, Peter Marbet kann ich nicht einschätzen, weil er noch nicht lange im Stadtrat ist.

Eine so grosse Partei müsste eigentlich bei so vielen Parlamentariern mehr KandidatInnen hervorbringen. Bei den Männern ist die bekannteste Figur, Matthias Aebischer, ein Quereinsteiger…

Grundsätzlich hat der hohe Bekanntheitsgrad eines Politikers noch nichts mit seinen fachlichen Qualitäten zu tun. Wir sollten nicht vergessen: Die Schweizer Politik ist nach dem Milizprinzip aufgebaut. Ich bin dankbar um jede fähige Person, die sich zur Verfügung stellt.

Interview: Urs Frieden/Journal B

 

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Weshalb es das Polit-Forum Käfigturm braucht

kaefigturm_sujet_IMG_1678Womöglich gedeihen schlechte Ideen in dieser garstigen Jahreszeit besonders gut: So wollte ein Zürcher Medienkonzern vor genau sieben Jahren die Traditionszeitung „Der Bund“ einstellen. Unsere Antwort damals war die Kampagne „Rettet den Bund“.

Vor genau drei Wochen entschied die Bundeskanzlei, dass sie das Polit-Forum Käfigturm in Bern schliessen will. Ich war just bei der Bekanntgabe im Käfigturm und glaubte zunächst, mich verhört zu haben. Und dann gab ich den adaptierten Mörgeli: „Sind die eigentlich vom Affen gebissen?“

Das Polit-Forum Käfigturm ist kein elitärer Kulturtempel. Dort wird Politik und Geschichte vermittelt – anschaulich, konkret und klug aufgebaut. Die Ausstellungen überzeugen auf hohem Niveau, die Räumlichkeiten, ausgestattet mit viel Ambiente, werden aber auch fast täglich für Podien, Medienkonferenzen und andere Veranstaltungen genutzt. Ich durfte sie auch schon für eine Buchvernissage brauchen.

Die Angebote des Käfigturms werden rege genutzt – gerade von zahllosen Schulklassen aus der ganzen Schweiz. Drei Jahre lang waren die Büros meiner Firma direkt nebenan und so konnte ich das Kommen und Gehen aus der Nähe beobachten. Was mir dabei immer wieder auffiel: der Gesichtsausdruck der Besucherinnen und Besucher. Menschen, die sich lieber die Kuppelshow „Der Bachelor“ anschauen, gucken anders in die Welt.

Der Besuch im Polit-Forum regt zum Denken und Diskutieren an. Es geht um politische Bildung, die an den Schulen seit Jahren nur noch kümmerlich vermittelt wird. Und jetzt wollen Rotstift-Gauchos diese Institution auf Ende 2016 schliessen! Das ist kurzsichtig und, mit Verlaub, einfach nur dumm. Die Hauptstadtregion Schweiz muss gestärkt werden. Und die Bundesstadt braucht eine Institution wie das Polit-Forum, um Akteure zusammenzuführen.

In Fronarbeit habe ich die letzten drei Wochen zusammen mit Walter Stüdeli, einem Berufskollegen, in langen Nachtstunden eine Kampagne entworfen. Sie heisst: „Rettet den Käfigturm“. Knapp 20 Persönlichkeiten sind bislang im Co-Präsidium des Komitees vertreten, z.B. Peter Stämpfli, Roger Blum, Steff La Cheffe, Röbi Koller und die beiden Berner Ständeräte Werner Luginbühl und Hans Stöckli, das Sujet kreierte Claude Kuhn, die Website von Andi Jacomet ist seit heute früh online.

Mit einer Online-Petition wollen wir sensibilisieren und Druck aufbauen. Die Aktion “Jeder Rappen zählt” war gestern, jetzt gilt: Jede Unterschrift zählt. Danke fürs Verlinken, Weitersagen und Mitkämpfen.

Das Polit-Forum Käfigturm muss erhalten bleiben – weil es die Demokratie stärkt.

Die Rettungsaktion zugunsten der Zeitung „Der Bund“ hatte womöglich einen Einfluss auf die Entscheidung der Tamedia; sie wird weiterhin herausgegeben. Hoffen wir, dass es das Polit-Forum Käfigturm auch in sieben Jahren noch gibt. In der jetzigen Form.

Mark Balsiger

P.S.   Weil das Kampagnensujet von damals mit Kuno Lauener so viele Emotionen weckte, setzen wir es hier wieder ein:

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Philippe Perrenouds raffinierter Schachzug

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Seit neun Jahren muss Philippe Perrenoud (sp) immer wieder Prügel von den bürgerlichen Parteien einstecken. Jetzt narrt sie der Berner Regierungsrat, zweifellos unterstützt von Jean-Philippe Jeannerat, seinem brillanten Strategen, mit einem raffinierten Schachzug: Überraschend gab Perrenoud über Mittag seinen Rücktritt auf Ende Juni 2016 bekannt. Die Ersatzwahl findet am 28. Februar statt, und damit stehen am selben Termin zwei Regierungssitze zur Disposition.

Rückblende: Vor einem Monat erklärte Regierungsrat Andreas Rickenbacher (sp), auf Mitte nächsten Jahres zurückzutreten. Die SP bekräftigte natürlich, sie wolle diesen Sitz verteidigen. Genauso prompt verkündete die SVP, anzugreifen.

Bei einer Einervakanz ist in einem durch und durch bürgerlichen Kanton die Rechnung schnell gemacht: Die SP-Kandidatur – im Vordergrund stehen die Nationalratsmitglieder Evi Allemann und Matthias Aebischer – duelliert sich mit einem SVP-Mann. Egal ob dieser nun Albert Rösti (Nationalrat, Oberland), Raphael Lanz (Grossrat und Stapi von Thun) oder Peter Brand (Fraktionschef im Grossen Rat, Münchenbuchsee) heisst, er macht das Rennen. Die SVP als klar wählerstärkste Partei im Kanton ist mit nur einem Regierungsratssitz untervertreten, die SP mit knapp 20 Prozentpunkten, aber drei Sitzen, hingegen deutlich übervertreten. Der bürgerliche Schulterschluss – auf nationaler Ebene eine hohle Formel – käme zum Tragen: BDP, FDP, EDU und SVP würden den Kandidaten der SVP vereint ins Ziel bringen.

Mit der Doppelvakanz werden die Karten hingegen neu gemischt: Die SVP peilt drei Sitze an, den garantierten Sitz des Berner Juras soll wohl erneut Manfred Bühler angreifen. Ob ihr das die bürgerlichen Partner gewähren, können wir aber schon jetzt ausschliessen. Auch die FDP, bis 2006 mit zwei Mitgliedern in der Regierung vertreten, wird Morgenluft wittern, womöglich auch die BDP.

Damit nicht genug: Die kleinen Mitteparteien GLP und EVP werden sich zwei Jahre vor den Gesamterneuerungswahlen die Chance nicht entgehen lassen, jemanden (weiter) aufzubauen. Die Grünen wiederum spielen wohl mit dem Gedanken, ein Schaulaufen zu inszenieren: mit den langjährigen Grossratsmitgliedern Christine Häsler (Oberland) oder Blaise Kropf (Stadt Bern) wäre die Partei hernach gewappnet, wenn Bernhard Pulver sich dereinst aus der Exekutive zurückziehen sollte. Das dürfte im Jahr 2018 der Fall sein, zusammen mit Barbara Egger (sp) und Hans-Jürg Käser (fdp).

Zurück zu Manfred Bühler: Der Bernjurassier steht vor dem Sprung in den Nationalrat, zumal er bewusst auf Platz 1 der SVP-Liste aufgeführt wird. Verpasst er am 18. Oktober die Wahl in die Grosse Kammer, hat er schlechte Karten für nächstes Jahr. Wird er hingegen gewählt, wartet die nächste Knacknuss auf ihn und seine Partei: Wie soll er dem Volk erklären, dass er, kaum in den Nationalrat gewählt, bereits für den Regierungsrat kandidieren will?

Fazit: Am 28. Februar stehen vermutlich fünf, vielleicht sogar bis zu acht Kandidaturen zur Verfügung – ein zweiter Wahlgang ist damit so gut wie sicher. Wichtig für Schachspieler Perrenoud: Im Gerangel um die beiden Sitze kämpft dann jeder gegen jeden, Absprachen und Allianzen sind nicht zuverlässig, die entscheidenden Faktoren werden der Bekanntheitsgrad, die regionale Herkunft – das Oberland stellt seit 2006 keinen Regierungsrat mehr! – und die Netzwerke der Kandidierenden sein.

Das realistischste Szenario: Dank Perrenouds Coup kann die SP einen der beiden Sitze, die nächstes Jahr frei werden, verteidigen. Damit kippen die Mehrheitsverhältnisse in der Regierung nach genau zehn Jahren. Vom 1. Juli 2016 an wird sie aus vier Bürgerlichen und drei Rot-Grünen bestehen. Das ist gut so, weil damit die Mehrheitsverhältnisse der Bevölkerung und des Grosses Rates abgebildet werden. In der Gesundheits- und Fürsorgedirektion darf eine unverbrauchte Kraft versuchen, einen besseren Job als Perrenoud zu machen. Dieser hatte zwar als ausgebildeter Arzt zwar einen guten fachlichen Rucksack, kam aber mit der Feinmechanik der Politik nie richtig klar.

Mark Balsiger


Ältere Postings zum Thema:

Berns bürgerliche Wende – vertagt (18. März 2014)
Ob Perrenoud oder Bühler ist gehupft wie gesprungen (30. März 2014)


Foto Philippe Perrenoud: selbstbestimmung.ch

Adrian Amstutz – eine Nicht-Kandidatur für die Galerie

Adrian Amstutz, Staenderat SVP Bern © Valérie Chételat

Stehen Mitglieder des eidgenössischen Parlaments frühmorgens vor dem Spiegel, sind die meisten der Überzeugung: „So sehen Bundesräte aus.“ Dieses Bonmot stammt von Altmeister Iwan Rickenbacher und kommt der Wahrheit vermutlich ziemlich nahe.

Eine kleine Minderheit der 246-köpfigen Zirkels ist bei der Selbsteinschätzung kritischer. So der langjährige Berner Nationalrat Adrian Amstutz (svp). Am 28. Februar dieses Jahres nahm er sich in einem Interview mit der NZZ selbst aus dem Rennen:

nzz_inti_amstutz_2015_02_28_format_600Der Fraktionschef der SVP bekundete also öffentlich, sich die Befähigung als Bundesrat abzusprechen. Das ist ehrlich und ehrt ihn. Trotzdem wurde er gestern von Parteipräsident Toni Brunner als Kandidat lanciert. Eine konkrete Anfrage hat Amstutz zwar (noch) nicht erhalten, und entsprechend hat er auch keine Zusage gemacht. Solche Personalien werden offenbar in der Sonntagspresse angestossen, die Zusammenarbeit zwischen SVP und „SonntagsZeitung“ funktioniert seit Jahren ausgezeichnet. (Der Titel auf der Frontseite lautet: “SVP will Amstutz als Asylminister”. Die Verben fordern, prüfen und wollen sind in diesem Mediengenre sehr häufig anzutreffen. Das nur nebenbei.)

Ungeschickt an diesem Winkelzug ist, dass Amstutz zur Findungskommission möglicher SVP-Bundesratskandidaten gehört. Ungeschickt ist auch der Zeitpunkt: Die Bundesratswahlen finden erst Anfang Dezember statt. Wer schon jetzt aus der Deckung herauskommt, wird garantiert zerrieben. Die eiserne Regel lautet: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Doch richten wir unser Augenmerk generell auf die Bundesratswahlen: Es gibt zwei Kriterien, die für den Wahlerfolg eine überragende Bedeutung haben:

1. Die regionale Herkunft.
2. Möglichst wenigen Mitgliedern der Bundesversammlung auf die Füsse getreten zu sein.

Zu Punkt 1)
Mit der letzten Revision der Bundesverfassung 1999 fiel die sogenannte Kantonsklausel. Seither dürfen mehrere Bundesratsmitglieder aus demselben Kanton stammen. Doppelvertretungen wurden seit 2003 zum Standard:

– Moritz Leuenberger/Christoph Blocher (ZH, 2003 – 2007)
– Moritz Leuenberger/Ueli Maurer (ZH, 2008 – 2010)
– Simonetta Sommaruga/Johann Schneider-Ammann (BE, seit 2010)

Dass drei Mitglieder der Landesregierung aus demselben Kanton kommen, dürfen wir ausschliessen. Für eine solche Kumulation von Würde und Macht wäre die Vereinigte Bundesversammlung nie zu haben, die regionale Durchmischung der Landesregierung wird stark gewichtet. In einem Live-Interview im „Heute Morgen“ von Radio SRF mass Toni Brunner diesem Aspekt keine Bedeutung zu.

Zu Punkt 2)
Die Regel bei Bundesratswahlen ist, dass amtierende National- oder Ständeräte das Rennen machen. In den letzten 40 Jahren gab es fünf Ausnahmen: Otto Stich (SP, alt Nationalrat SO, 1983), Ruth Dreifuss (SP, GE, 1993), Ruth Metzler (CVP, Regierungsrätin AI, 1999), Micheline Calmy-Rey (SP, Regierungsrätin GE, 2002) und Eveline Widmer-Schlumpf (SVP, Regierungsrätin GR, 2007). Sehr gute Karten haben Kandidatinnen und Kandidaten, die umgänglich, breit akzeptiert und in allen Fraktionen gut vernetzt sind. Solche mit Ecken und Kanten hingegen schaffen den Sprung nicht. Auch aus diesem Grund wäre Amstutz’ Kandidatur chancenlos.

Ein Blick zurück offenbart im Weiteren, dass oftmals weder die Besten und Wägsten noch die Favoriten der eigenen Partei das Rennen machen. Gerade die FDP und die SP mussten immer wieder zähneknirschend zusehen, wie ihnen die Bundesversammlung nicht offizielle Kandidaten aufs Auge drückte. Die SVP machte diese Erfahrung in den Jahren 2000 (Samuel Schmid) und 2007 (Eveline Widmer-Schlumpf).

Mit Verlaub, aber die SVP braucht ihre Lieblingsgegnerin

Die Personalie Amstutz hat noch einen weiteren Haken: Würde er tatsächlich Vorsteher des EJPD und damit “Asylminister”, verlöre die SVP auf einen Schlag ihre Lieblingsgegnerin. Seit viereinhalb Jahren prügelt sie systematisch auf Bundesrätin Sommaruga (sp) ein, genauso wie die SP auf Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (fdp) eindrischt.

Dass die SVP ihr Lieblingsfeld, die Ausländer- und Asylpolitik, aus Rücksichtnahme auf einen eigenen Bundesrat nicht mehr beackern will, darf man ausschliessen. Folglich wird sie alles daran setzen, das ungeliebte Departement nicht zu erhalten. Selbstverständlich deklamiert sie das Gegenteil: “Wir wollen Verantwortung übernehmen!” – ein Doppelspiel.

Fazit: 
Adrian Amstutz’ “Nicht-Kandidatur” ist für die Galerie. In Tat und Wahrheit ging es mit seiner Lancierung darum, das Thema Asyl mit einer pikanten Personalie zu würzen: Amstutz löste im Frühling 2011 Sommaruga im Ständerat ab, wurde aber ein halbes Jahr später nicht mehr wiedergewählt; zudem mögen sich die beiden überhaupt nicht.

Die “SonntagsZeitung” produzierte gestern wieder einmal eine “geile Story”, wie das redaktionsintern genannt wird, und diese dreht nun wunderbar. Nicht weniger als 40 verschiedene Medien haben gemäss Swissdox (Stand heute um 12 Uhr) den “Primeur” bislang aufgegriffen. Die SVP dominiert Schlagzeilen und Agenda, die Medien dienen als Megafon – Business as usual.

Mark Balsiger

Nachtrag vom Dienstag, 11. August 2015, 14 Uhr

Inzwischen verzeichnet Swissdox 70 verschiedene Beiträge zum Thema Nicht-Kandidat Amstutz. Ein längeres Interview gab der Berner Politologe Marc Bühlmann in “Bund” und “Tages-Anzeiger”.

Foto Adrian Amstutz: derbund.ch

In der Affäre Markwalder geht es um Wahlkampf und Neid

christa_markwalder_580_jungfrauzeitungHeute vor zwei Wochen machte die NZZ eine Geschichte publik, die subito zur “Affäre Markwalder” hochgejazzt wurde. In den letzten 14 Tagen referenziert die Schweizer Mediendatenbank nicht weniger als 488 Beiträge zu diesem Thema. Das ergibt einen Durchschnitt von 35 Beiträgen pro Tag, die Story ist ein Medienhype par excellence.

Ich habe dieser Tage einige Medienanfragen erhalten, um diesen Fall einzuordnen. Die meisten musste ich aus zeitlichen Gründen ablehnen. Ein paar Mal nahm ich mir aber die Freiheit, die Journalistinnen und Journalisten zu Beginn in einen von mir gesteuerten Dialog zu verwickeln. Er verlief jeweils etwa so:

„Ja, ich gebe Ihnen Auskunft. Aber können Sie mir zuerst erklären: What’s the story?“

– „Ähh, (Pause), ja…. Nationalrat Christoph Mörgeli hat doch eine Strafanzeige angekündigt.”

“Genau – angekündigt. In der Politik wird unendlich Vieles angekündigt.”

– “Wissen Sie… Alle anderen Medien berichten auch über diesen Fall.“

Voilà, es werden Beiträge fabriziert, weil das die anderen Medien auch tun, nicht weil die Geschichte viel Fleisch am Knochen hat. Es geht um Klicks und Reichweite.

Doch zurück zur Frage: „What’s the story?“ Nationalrätin Christa Markwalder hatte vor zwei Jahren eine Interpellation zum Verhältnis Schweiz – Kasachstan eingereicht. Der Name Interpellation stammt vom lateinischen Wort interpellare – zu übersetzen mit: dazwischenfragen. Markwalder stellte ein paar harmlose Fragen und erhielt vom Bundesrat ein paar harmlose Antworten.

Der Text dieser Interpellation floss aus der Feder der Lobbyistin Marie-Louise Baumann, die damals noch mit Markwalder befreundet war. Beim Schreiben wirkte der kasachische Auftraggeber Baumanns (über ihre PR-Agentur Burson Marsteller) mit, was gegenüber Markwalder verschwiegen wurde. Das ist unlauter, Baumann wurde zur Persona non grata, professionelles Lobbying basiert auf Glaubwürdigkeit und Transparenz. Markwalder selber war naiv und vertrauensselig, keine Frage, sie hätte klären müssen, in wessen Auftrag Baumann wirkt. Ob die Nationalrätin das Kommissionsgeheimnis verletzt hat, wird das Büro des Nationalrats untersuchen. Sie liess ihren Fall gleich selber traktandieren.

Ein anderer Aspekt: Alle National- und Ständeräte sitzen in Kommissionen. Was sie dort beraten, ist gemäss Artikel 47 des Parlamentsgesetzes vertraulich. Die Realität ist seit jeher eine andere: Kommissionsmitglieder sind keine autarken Wesen. Sie tauschen sich aus, holen von Dritten Meinungen ein und dealen mit Informationen. Natürlich existiert das Kommissionsgeheimnis, aber was in den Sitzungen gesagt und entschieden wird, zieht seine Kreise. Die Informationen wandern weiter – zu Fraktionskollegen, Journalistinnen und – horribile dictu! – zu Lobbyisten, die die Interessen von Umweltverbänden, Krankenversicherungen, Hilfswerken oder der Rüstungsindustrie vertreten.

Manchmal werden Dokumente weitergereicht, manchmal eigene Zusammenfassungen, oft wird das Relevanteste mündlich rapportiert, manchmal auch per SMS oder mit knappen E-Mails. Was Markwalder tat, haben die anderen 245 Parlamentarier auch schon getan, bloss ist ihr Fall gut dokumentiert und aufgeflogen. («Das hätte jedem von uns passieren können», sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay kurz nachdem der Fall ins Rollen geraten war.) Merkwürdig mutet an, dass die beiden Nationalräte Christian Miesch (svp, BL) und Walter Müller (fdp, SG), die Kasachstan auf Kosten des dortigen Regimes bereisten (Kostenpunkt: 60’240 Franken), kaum kritisiert werden.

In der Politik ist Neid so weit verbreitet wie Eitelkeit

Dass Markwalders Fall so hoch gehängt wird, hat mit ihrer Flughöhe zu tun: Sie gilt als profilierte Politikerin, ist designierte Nationalratspräsidentin und damit ein ideales Opfer für eine Kampagne. Innenpolitisch herrscht seit Wochen Themenflaute, da kam diese Story mitten im Wahljahr gerade recht. Genüsslich können die Strategen der anderen Parteien beobachten, wie sich die FDP windet, just diese FDP, die mit soliden Gewinnen aus den kantonalen Wahlen dieses Jahres hervorging. Sie haben ein Interesse daran, dass die Suppe mit dieser dünnen Geschichte noch lange köchelt.

Ein weiterer Aspekt, der eine grosse Rolle spielt: Markwalder war gerade einmal 28 Jahre alt, als sie in den Nationalrat gewählt wurde. Sie schaffte den Sprung ins Bundesparlament auf Anhieb. Andere brauchen dafür drei oder vier Anläufe – oder sie bleiben auf der Strecke. In der Politik ist Neid so weit verbreitet wie Eitelkeit. Markwalders schneller Erfolg, ihr solides Standing, die grosse Medienpräsenz und das Nationalratspräsidium, das sie im Dezember antreten soll, wecken Neid, viel Neid. Auch in der eigenen Partei.

Die FDP tut gut daran, jetzt standhaft zu bleiben. Es wäre billig, wenn sie Markwalder fallen liesse. Entscheiden sollen am 18. Oktober vielmehr die Wählerinnen und Wähler des Kantons Bern. Sie haben ein feines Sensorium. Wählen sie Markwalder wieder in den Nationalrat, ist deren Kandidatur für das Präsidium der Grossen Kammer legitimiert.

Die Scheinheiligen sollen in sich gehen, die Verlogenen und Rufmörder gehören ins Pfefferland.

 

Mark Balsiger

Transparenz: Die Agentur des Autors ist seit ihrer Gründung im Jahr 2002 nie in einem Mandatsverhältnis mit Christa Markwalder gestanden. Es gibt derzeit auch keine Mandate von der FDP Bern, der FDP Schweiz oder solche aus den weiten Steppen Kasachstans.

 

Andere Texte zum Thema:

Wer steckt dahinter? (Die Zeit, Matthias Daum, 13. Mai)
Die Rufmord-Kampagne gegen Christa Markwalder (Watson, Maurice Thiriet, 19. Mai)
Um was es wirklich geht (NZZ, René Zeller, 20. Mai)
Füürio auf der Spitze des Eisberges (Krisenblog, Roland Binz, 21. Mai)

 

Foto Christa Markwalder: jungfrauzeitung