Schweizer Parteien und Politisierende versuchen sich seit Jahren mit Videos. Was 2006 mit verwackelten 1.-August-Reden, die im Netz von niemandem angeklickt wurden, anfing, kommt inzwischen deutlich professioneller daher. Doch auch heute tun sich Parteien und Protagonisten schwer mit der Kürze – und mit gelungenen Umsetzungen. Womit die Parteien und Kandidierenden für die Zürcher Wahlen überzeugen wollen, haben wir uns genauer angeschaut.
Die Grünen wagen sich aufs Glatteis, denn es birgt Absturzgefahr, in einem Video eine Story in Versform zu erzählen. Doch bei dieser „Saga“ passt der Text; sie ist kreativ umgesetzt und frech. Die wunden Punkte aus der Sicht der Grünen werden hervorgehoben und es blitzt sogar Selbstironie auf. Kein Wunder, dass dieser Clip bislang zehn- bis dreissig Mal öfter angeschaut wurde als die Produktionen der anderen Parteien.
Die SP nimmt es sich zu Herzen: Gelungene Parteivideos sind kurz, pointiert und witzig. Mit ihrer Dreierserie gelingt das nicht schlecht. Pro Clip wird ein Thema angerissen, die Comix sind animiert und bringen das Anliegen der Partei auf den Punkt. Der Plot überzeugt allerdings nur bei „Gerechte Steuern“.
AL-Kandidat Markus Bischoff besinnt sich auf die Anfänge der Wahlwerbungen fürs Fernsehen in den USA. In den 1950er-Jahre – damals noch in Schwarz-Weiss – waren es “Talking Heads”, Politkerköpfe, die zum Publikum sprachen. Genau das tut Bischoff auch – einfach in Farbe. Im Gegensatz zu US-Präsidentschaftskandidat Dwight Eisenhower und Co. ist Bischoff allerdings apolitisch. Wer ihm auf der Plattform „wemakeit“ Geld spendet, wird eingeladen – zum Sonntagsbraten, zu einer Bratwurstparty oder zu einer feinen Zigarre. Letzteres ist ein Fauxpax: Luxus-Zigarren haben etwas Dekadentes und passen deshalb nicht zur Alternativen Liste (AL).
Die FDP weiss, wie man einen Wahlzettel richtig ausfüllt. (Die anderen Parteien hoffentlich auch). Sie produzierte ein Lernvideo für „Dummies“: Die Sprache ist locker, die Musik passt und der Clip ist handwerklich überzeugend gemacht.
Die SVP ist mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht Fan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Ob er gut küsst, ist nicht relevant. Wir können bloss hoffen, dass seine Küsse nicht so laut tönen wie das SVP-Produkt suggeriert. Dieser „Clip“ fokussiert stufenweise auf das bestbekannte Plakat – und sonst nichts. Das sei „ein bisschen billig“, lautet den auch prompt der bislang einzige Kommentar auf „Youtube“.
Bleibt noch das Video der “Top5 für Zürich”: Harter Schnitt, die Protagonisten von SVP, FDP und CVP werden stets nur mit einem Auge eingeblendet, der Beat treibt voran – das Intro ist gelungen. Doch die nachfolgenden sechseinhalb Minuten sind zum einschlafen: Die Protagonisten wirken steif, ihre Aussagen tönen abgelesen und sind zum Teil holprig aus dem Hochdeutschen übersetzt; mit Ausnahme von Carmen Walker Späh (FDP) kommt niemand authentisch rüber. Dieser Clip ist klinisch und die Kameraführung irritiert. Deshalb: leider nein.
Aline Clauss & Mark Balsiger
Nachtrag vom 27. März 2015:
In einer adaptierten Vesion wurde dieses Posting von “20Minuten” übernommen.
Frühere Postings zum selben Thema:
- Die Apokalypse aus dem grünen Thurgau (14. September 2011)
- Videoclip ab, der Spass beginnt (30. August 2011)
- Auf der Jöö-Welle surfen: Berner Parteien mit gelungenen und innovativen Videos, (24. März 2010)
Der “All-Time-Favorite” unter den Partei-Clips mit rund 130’000 Clicks: Die Baselbieter FDP-Sektion Reinach mit “Gäll du wählsch mi?” aus dem Jahr 2012. Unsere kurze Einschätzung über dieses Video, die wir gegenüber “20Minuten” gemacht hatten.