Wie aus dem Lehrbuch – zu Beginn

Dieser Tage sorgt ein Plakat mit einem schwulen CVP-Paar in der halben Schweiz für Aufmerksamkeit. Die Rechnung ist aufgegangen, freuen sich die Zürcher Akteure. Allerdings machten sie auch simple Fehler.

Offen gesagt: Ein solches Sujet hätte ich der CVP des Kantons Zürich nicht zugetraut. Sie verbucht damit einen Überraschungseffekt, die erste Phase der Kampagne rollt an wie im Lehrbuch:

Am Montag hängen die ersten Plakate in der Stadt Zürich, tags darauf greift der “Blick am Abend” die Kampagne auf. Die Medienkonferenz findet am Donnerstag statt. Weil noch hochsommerliche Newsflaute herrscht und der Teaser “schwul” weiterhin wirkt, ist die massenmediale Resonanz gross. Selbst in Basel wird das Thema gross gefahren und ein welsches Gay-Magazin befasst sich ebenfalls damit.

Stadtparteipräsident Markus Hungerbühler (rechts), sein Lebenspartner Dominik Mazur, auch er CVP-Mitglied, und die Kantonalzürcher CVP verpassten es mit ihrer Aktion, die Gunst der Stunde optimal zu nutzen. Inhalte formulierten sie keine. Stattdessen wissen wir nun, dass noch 79 weitere Plakatsujets mit CVP-Köpfen folgen werden – gestaffelt über mehrere Jahre.

Dass Websites bei Parteien und Politiker oft in Vergessenheit geraten, ist bekannt. Der aktuelle Fall der CVP ist exemplarisch: Erst am Freitagabend schaltete die Kantonalpartei einen Medienspiegel auf. Zeitgleich platzierte Hungerbühler ein paar wenige Zeilen auf seiner Website. Die Referate bzw. Informationen der Medienkonferenz sind nicht online verfügbar.

Und jetzt wirds grotesk: Die CVP-Stadtpartei würdigt die enorme Präsenz ihres Präsidenten bislang mit keiner Zeile. Der Surfer wird “herzlich willkommen” geheissen. Prominent in der Mitte der Website ist die “neue Ausgabe” des vierteljährlich erscheinenden Magazins Vitamin CVP zum Herunterladen bereit. Sie stammt vom Dezember 2011.

Auf Facebook hätte die Partei unmittelbar nach der Medienkonferenz eine Diskussion über die Einführung des Adoptionsrechts von schwulen und lesbischen Paaren lancieren können. Damit wäre die nationale Partei herausgefordert gewesen, der Diskurs hätte weitere Aufmerksamkeit und ein schärferes Profil zu Folge gehabt. Nichts dergleichen geschah, die Page der Kantonalpartei verzeichnet gerade einmal 13 Likes und Protagonist Hungerbühler mochte offensichtlich nicht in ein Wespennest stechen.

Dieser Fall zeigt einmal mehr: Das Internet mit seinen Möglichkeiten ist bei den Schweizer Parteien noch nicht richtig angekommen. Es passieren immer wieder die altbekannten Fehler.

Mark Balsiger

Foto/Plakat: zvg/blick

 

Wo der Rubel bei Volksabstimmungen liegt

Die Rufe nach mehr Transparenz bei Volksabstimmungen und Wahlkämpfen erschallen seit Jahren regelmässig. Druck aufgesetzt hat im letzten Herbst die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption, besser unter dem Namen Greco bekannt. Nachdem das welsche Magazin “L’Hébdo” vor Jahresfrist das Thema mit grossem Engagement aufgearbeitet hatte, publizierte heute die Universität Zürich (Forschungsstelle sotomo) eine Studie dazu.

Im 41 Seiten umfassenden Dokument mit dem schönen Titel “Das politische Profil des Geldes” wurden u.a. 35 Volksabstimmungen analysiert. Erfasst haben die Forscher Plakatwerbung, Print (Inserate, Reklamen, Publireportagen) und Kinospots. Die Data stellte die Marktforschungsfirma Media Focus zur Verfügung. Nicht eruiert wurden beispielsweise Postwurfsendungen, ein Teil der Onlinewerbung sowie die Kosten für Beratung und Kreation.

Dank dieser Studie wissen wir nun, welche Budgets bei den Volksabstimmungen zwischen Mai 2005 und Februar 2011 zur Verfügung standen. Am meisten Geld wurde bei der Abstimmung für die Fortführung/Erweiterung der Personenfreizügigkeit vom Februar 2009 ausgegeben, nämlich 11,1 Millionen Franken. Das Schlusslicht markiert die Vorlage “Verzicht auf allgemeine Volksinitiative” vom September 2009. Dafür wurden nur gerade 1000 Franken eingesetzt.

Die aufgelisteten Summen führen uns vor Augen, wie ungleich die Mittel verteilt sind. Bei fünf von sechs kann ein Lager mehr als doppelt so viel Geld verwenden wie das andere Lager. Bei fast 70 Prozent aller Abstimmungen sei das Ungleichgewicht sogar grösser als das Verhältnis 4:1, schreiben die Forscher. Überraschend ist dieser Befund weiss Gott nicht. Nur gerade bei 3 der 35 Vorlagen waren die Spiesse in etwa gleich lang:

– Beitritt Schengen/Dublin: je 3,4 Mio. Franken  (5. Juni 2005)
– Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts: 1,5 Mio. (Ja-Lager) vs. 1,4 Mio. (Volksabstimmung vom 30. Nov. 2008)
– Personenfreizügigkeit: 6 Mio. (Ja) vs. 5,1 Mio. (8. Febr. 2009)

Die Studie von Sozialgeograf Michael Hermann et al. ist eine Fleissarbeit und innerhalb von wenigen Monaten entstanden. Sie liefert wichtige Anhaltspunkte. Die beiden entscheidenden Fragen bleiben aber weiterhin unbeantwortet:

– Woher genau stammt jeweils das Geld für die Kampagnen?
– Gibt es einen dynamischen Zusammenhang zwischen Mitteleinsatz, Werbung und Abstimmungserfolg?

Die erste Frage wasserdicht aufzuarbeiten, wäre schier unmöglich gewesen; über Geld spricht man nicht in diesem Land. Die Beantwortung der zweiten Frage hätte eine grössere Gruppe Politikwissenschaftler und aufwendige Regressionsanalysen benötigt. Dafür fehlte die Zeit und – nomen est omen – das Geld. So liegt nun eine Studie vor und wir wissen eigentlich doch nur, was wir schon immer ahnten.

In der Frühjahrssession wird sich der Nationalrat mit der Motion “Transparenz bei der Finanzierung von Abstimmungskampagnen” befassen. Der Ständerat votierte bereits im letzten Jahr dafür. In der grossen Kammer wird es ein Nein geben. Auf “hold” sind mehrere Volksinitiativen, die eine kleine Gruppe um die beiden SP-Nationalräte Andreas Gross (ZH) und Andy Tschümperlin (SZ) ausgearbeitet hatte. Um ihr Anliegen breiter abzustützen, wurde inzwischen den Trägerverein “Mehr Transparenz” ins Leben gerufen. Das Geld für die Lancierung einer Volksinitiative fehlte bislang allerdings.

Download: Studie: “Das politische Profil des Geldes” (PDF)

– Foto Banknoten: keystone
– Grafik/Smartspider: sotomo

In welche Politikfelder bei Volksabstimmungen zwischen 2005 und 2011 am meisten Werbegeld floss:

Die Apokalypse aus dem grünen Thurgau

Vor zwei Wochen stellte ich hier mehrere Videoclips ins Netz. In einem “10vor10”-Beitrag und anderswo machte ich ein paar generelle Einschätzungen zu dieser Form von Wahlwerbung. Kommentiert – und reklamiert – wurde dann vor allem via Twitter, telefonisch und per E-Mail. Womöglich ein Indiz dafür, wie nervös die Parteien und Kandidierenden sind.

Der neuste Clip stammt von den Grünen aus dem Kanton Thurgau. Sie beauftragten zwei junge Regisseure, und was diese ablieferten, legt die Latte für künftige Produktionen hoch: Ein überzeugendes Drehbuch, technisch hochstehend, Dramaturgie, starke Bilder und viel Emotionen. Zuweilen erinnert er an Spielfilme, das Apokalyptische kann den Grünen indessen auch zum Vorwurf gemacht werden. Sie politisierten in ihren Anfängen mit Weltuntergangsrhetorik.

Aber schauen Sie selber:

Schon nach wenigen Tagen hat dieser Spot allein auf dem Videoportal Youtube mehr als 4’000 Klicks erreicht. Das ist etwa 20 Mal mehr als die Wahlkampfvideos in der Schweiz sonst im Durchschnitt angeschaut werden. Und wir können davon ausgehen, dass die Verbreitung nun rasant weitergeht.

Der kleine Film der FDP.Die Liberalen, der schon im Frühjahr produziert wurde, gefällt mir ebenfalls gut. Parteipräsident Fulvio Pelli zeigt sich von seiner sportlichen Seite, und das überzeugend. Und er führt mit seiner Stimme durch den Film. Das gibt ihm Glaubwürdigkeit.

Ob Videobotschaften und Videoclips zusätzliche Stimmen brächten, werde ich immer wieder gefragt. Ich antworte jeweils: Gute Clips werden viral verbreitet und oft auch massenmedial aufgegriffen. Das erzeugt Aufmerksamkeit. Und wer regelmässig die Aufmerksamkeit hat, kann an seinem Image arbeiten, das Profil schärfen und schliesslich auch zusätzliche Stimmen holen.

Videoclip ab, der Spass beginnt

Nationalrat Ruedi Noser hat es letzte Woche auf den Punkt gebracht: “Ich habe genug dilettantische Youtube-Videos gesehen.” Deshalb lässt der Freisinnige nun einen eigenen Videoclip produzieren, “10vor10” war beim Dreh dabei. Obwohl dieser Beitrag bislang noch nicht ausgestrahlt wurde, kursieren bereits Fotos davon – dem fixen Konrad Weber sei dank, der bei SF ein Praktikum absolviert und schon geraume Zeit virtuos mit Web2.0-Kanälen umgeht.

Videos mit Pfiff brauchen keine grossen Budgets. Sie brauchen eine starke Idee, eine taugliche Kamera und ein Mikrofon, das dem Protagonisten unter das Kinn gehalten wird, wenn er spricht. Gerade Letzteres will und will in der Schweiz nicht klappen. Im Netz trudeln seit Jahren Videos von Hunderten von Politikerinnen und Politiker herum, die man akustisch kaum versteht. Dazu kommen verwackelte Bilder, schlechte oder keine Bildschnitte, fehlende Spannungsbogen und, und, und. Jemand sprach schon einmal von Realsatire.

Ein weitgehend gelungenes Video stellte Ralf Bucher, CVP-Nationalratskandidat aus dem Kanton Aargau, ins Netz:

Zwei Ticks weiter ist die Berner Grossrätin und Nationalratskandidatin Nadine Masshardt (sp) und ihr Kreativteam.  Sie liess dieses Jahr bereits vier Videoclips produzieren. Sie sind allesamt kurz, frech, witzig und sie schrammen haarscharf an potenziellen Klagen vorbei, weil sie bestens eingeführte Kino- und TV-Werbung von bekannten Marken aufgreifen: Nespresso mit George Clooney, Graubünden Tourismus, Brillen Fielmann und die Migros – ein M besser. Doch schauen Sie selbst:

http://www.youtube.com/watch?v=R6NiqsbImyQ

Masshardts Videos werden viral weiterverbreitet, weil sie Spass machen und uns zum Schmunzeln bringen. Sie schafft es damit auch ins  “10vor10”, womit sich der Aufwand definitiv gelohnt haben dürfte.

Foto Videodreh: Konrad Weber

Die Juso, das Bier und der Kühlturm

Werbung wirkt oder wird nicht zur Kenntnis genommen. Zweiteres kommt sehr oft vor. Das gilt insbesondere auch für politische Werbung.

Aus der Sommerpause melden sich die Juso des Kantons Bern zurück. Mit diesem Sujet ziehen sie in den Wahlkampf 2011:

Was sofort auffällt, ist die grafische Qualität. Da hat niemand über Nacht irgendwie am Desktop herumgebastelt. Dieses Mal war ein Profi am Werk. Das kontrastiert mit dem Schrott, exgüsé, den die Juso in früheren Jahren produzierte. Damals galt offensichtlich die Losung: provozieren auf Teufel komm raus.

Ein neuer Stil? Oder Zufall?

Das Kühlturm-Sujet ist keine Bieridee, sondern clever, weil die AKW-Problematik Mühleberg und Fukushima aufgegriffen wird. Ob es allerdings knallt, d.h. ein Schwarztreffer wird, ist offen. Ein Bürokollege von mir – nicht Suppino – meinte eben, das Sujet sei “etwas verkopft”. In der Tat braucht man mehr als eine halbe Sekunde, bis der Groschen fällt. Wer den Bier-Kühlturm auf einem Flyer in den Händen hält, wird abgeholt, wer das Sujet flüchtig im Netz oder als Plakat auf der Strasse sieht, bleibt womöglich auf der Strecke.

Das Wahlkampfblog und seine Babys

Blogs tauchen auf und verschwinden wieder. Das Wahlkampfblog zählt mit seinen viereinhalb Jahren auf dem Buckel vermutlich zu den etablierten Bonsaimedien, die sich schwergewichtig mit Politik und Medien befassen. In dieser Zeitspanne sind rund 450 Postings und ein paar Tausend Kommentare publiziert worden.

Für vereinzelte Beiträge brauchte ich zum Teil nur gerade zehn Minuten, beispielsweise die Videosequenz um Bundesrat Hans-Rudolf Merz und das Bündnerfleisch im September 2010.  Für andere Postings wendete ich mehrere Stunden auf, in einem Fall sogar mehr als einen Tag (25. April 2011: “Wie Medien die Politik formatieren”, ein Essay). Dass der Bündnerfleisch-Beitrag mehr Klicks errreichte als das Essay muss ich hinnehmen.


Von vielen Surferinnen und Sufern bislang nicht bemerkt, hat das Wahlkampfblog Familienzuwachs erhalten. Zum einen gibt es eine Facebook-Seite, die den Wahlkampf im Internet in den Vordergrund stellt. Schon länger im Netz ist die Facebook-Seite “Wahlkampf – Hintergrund, Tipps und Tricks“. Beide Plattformen bauen wir kontinuierlich auf und aus. Sie sollen einen Mehrwert liefern. Die Postings erfolgen regelmässig, ohne die Fans zuzumüllen. Gesucht sind noch viele Leute, die diese beiden Seiten “liken”.


Das Quartett ist dank meinem persönlichen Twitter-Kanal komplett. Dieser Microblogging-Dienst macht mir seit ein paar Monate zunehmend Freude, fast täglich entdeckte ich Neues. Zugleich ist es eine Herausforderung, maximal 140 Anschlägen zur Verfügung zu haben. Täglich scheitern gehört dazu. Solange das lustvoll geschieht, ist alles in Ordnung.

Die beiden Facebook-Seiten und Twitter ergänzen dieses Blogs, das Angebot soll abgerundet sein und Wissen vermitteln. Das Augenzwinkern gehört auch bei den Wahlkampfblog-“Babys” dazu. Schön wäre es, wenn auch regelmässiger Diskussionen entstünden.

Ende der Nabelschau, einen Tag vor dem 9-Jahre-Jubiläum meiner Agentur erlaube ich mir das.

Oben ohne – 15 minutes of fame

“In the future, everyone will be famous for fifteen minutes.”
Andy Warhol, 1979

Claudine Esseiva ist seit 2008 Generalsekretärin der FDP-Frauen und seit heute Pin-up-Girl einer neuen Kampagne. Zweiteres sorgt für Aufmerksamkeit, die nach 24 Stunden wieder auf Null fallen dürfte, aber einen dauerhaften Reputationsschaden zur Folge hat. Noch Jahre später werden sich viele Leute an das Sujet erinnern, nicht aber an ihre Intention, die magere Präsenz der Frauen in Kaderjobs zu thematisieren.

Auch die persönliche Website schadet Esseiva: Dort wirbt sie weiterhin prominent für ihre Wahl in den Nationalrat – am 21. Oktober 2007.

 

Was ich dem Online-Portal “20Minuten” zum Thema sagte.

P.S.  Nackte Fakten: Der Frauenanteil in der aktuellen Bundeshausfraktion der FDP-Liberalen beträgt 21,2 Prozent.

Drei Frühstarter und eine Innovation

Vor vier Jahren war Barbara Schmid-Federer die erste Nationalratskandidatin im Kanton Zürich, die im gekauften Raum für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Dieser Tage präsentierte sie ihr Plakat für die Kampagne 2011. Unten links ist ein “Kringel” zu erkennen, vergleichbar mit den Strichcodes, die beispielsweise von den Grossverteilern zum Einlesen ihrer Produkte verwendet werden.

Wer dieses Plakat mit seinem Smartphone fotografiert, erhält weitere Informationen, oder anders ausgedrückt: aus der wilden Anordnung von Pixeln werden Worte oder neue Bilder. Im Fall von Schmid-Federers Plakat wird man auf einen Youtube-Clip weitergeleitet. Voraussetzung: Das Smartphone ist mit dem notwendigen App (Kurzform für Applikation bzw. Application), einem Reader, ausgerüstet. Sonst geht gar nichts.

Das Plakat ist ein klassisches Medium, das nur die Einwegkommunikation zulässt. Vor diesem Hintergrund ist es innovativ oder zumindest einen Versuch wert, einen sogenannten QR-Code zu integrieren. In der politischen Werbung habe ich solche Strichcodes noch nie gesehen, obwohl sie in der Industrie schon seit einigen Jahren verwendet werden. Der grosse Durchbruch blieb allerdings bislang aus.

Im Kanton Bern ist Thomas Mattig (fdp) der erste Nationalratskandidat, der im gekauften Raum sichtbar wurde. Sein Farbinserat erschien zum ersten Mal am 7. Mai in der “Berner Zeitung” und im “Bund”, am letzten Samstag  folgte das zweite. Der Gesundheitsspezialist mit Walliser Wurzeln brachte es auf Anfrage so einfach, wie überzeugend auf den Punkt: “Wenn ich jetzt für mich werbe, bin ich noch allein auf weiter Flur. Nach den Sommerferien buhlen Hunderte von Kandidierenden um Aufmerksamkeit.”

Die Frage ist, ob sich die Wählerinnen und Wähler am 23. Oktober noch an Mattig, der einst im Mai für sich warb, erinnern können.

Auf dieses Teaser-Plakat setzte letzte Woche ein anderer Kandidat. Er liess es u.a. beim Bahnhof Bern aushängen.

Bei der Umfrage in meinem persönlichen Umfeld – politisch durchaus interessiert – wurden die Parteien CVP, Grüne, GLP und SP als mögliche Absender genannt. Die Schrift in weissen Grossbuchstaben dechiffrierte niemand zielsicher als SP-Design. Das ist für die Macherinnen ernüchternd, wurde doch das neue Corporate Design der Sozialdemokraten vor knapp zwei Jahren eingeführt.

Hinter der Teaser-Kampagne steckt allerdings nicht die Berner SP, sondern einzig und allein ihr Kandidat Matthias Aebischer. Das Plakat ziert den Hinterkopf des ehemaligen Fernsehmannes. Dank Glück, Prominenz oder guten Verbindungen in die Redaktion von “20Minuten” wird der Teaser heute aufgelöst – ein Foto ist auch dabei.
Auch ein wandernder Blogger und ein paar Twitterer verbreiteten die News. Solche kleine Teil-Öffentlichkeiten bedeuten natürlich noch keine signifikant besseren Wahlchancen, sie können aber das Image eines Kandididaten verändern. Im Falle Aebischers heisst das: Er kann als keck und kreativ wahrgenommen werden.

Wenn Massenmedien über frühe Kampagnenstarts, Innovationen oder Teaser berichten, hat sich der Aufwand der Wahlkämpfer definitiv gelohnt.

Mark Balsiger

Sujet und Fotos:

– Plakat: schmid-federer.ch
– Teaser-Plakat: Mark Balsiger
– Matthias Aebischer: 20 Minuten/mar

 

P.S.   Transparenz: Niemand unter den genannten Kandidierenden ist im Portfolio meiner Kommunikationsagentur. Man darf aber davon ausgehen, dass sie meine beiden Handbücher gelesen haben. Soviel Eigenwerbung dürfe sein, findet sogar Bürokollege Suppino.

Der SVP-Bulle und die CVP-Kuh

Die Währung der Politik heisst Aufmerksamkeit, die Währung der Onlinemedien Klicks und Kommentare. Et voilà:

Und auch ich übernehme dieses Sujet der Walliser SVP. Weil es andere auch schon getan haben, weil es viele Klicks generiert, weil mir die Zeit fehlt für ein eigenständiges Thema, weil ich nicht viel nachdenken mag – wie andere vielleicht auch nicht.

Wie der Bulle – für seinen Jahrgang ziemlich rüstig – auf die Kuh kam, präziser: wer dieses Oevre kreierte, ist noch nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass die schwarze Kuh zur CVP gehört, Lara heisst und die Wahlen gewinnen will. Nicht die Kuh, die ist eigentlich apolitisch, nein, die CVP. Die macht eigentlich Politik.

Der SVP-Bulle ist übrigens noch namenlos. Womöglich wäre es ein erfolgversprechender Coitus secundus für diesen famosen Aufmerksamkeitserreger, wenn Nationalrat Oskar Freysinger am nächsten Samstag in seinem Garten einen Benamsungsworkshop durchführte. Zum krönenden Schlussbouquet würde er Prosa drechseln für die Nachwelt. Der serbische Schriftstellerverband geriete zweifellos in Verzückung. Zottel vielleicht auch.

P.S.   Freysinger reichte im Februar eine Klage ein gegen das welsche Satiremagazin Vigousse. Wegen einer Karikatur.

Karikatur: via newsnetz

Ursula Wyss’ Sujet wirkt am besten

Adrian Amstutz, Marc Jost, Christa Markwalder oder Ursula Wyss – die Bernerinnen und Berner haben am 13. Februar eine echte Auswahl. Sie bestimmen, wer den Ständeratssitz von Simonetta Sommaruga (sp), die im letzten Herbst in den Bundesrat aufrückte, übernehmen darf. In diesem Posting geht es darum, die vier Hauptsujets näher zu betrachten.

Dunkler Kittel, weisses Hemd, Krawatte, ein gewinnendes Lächeln – Nationalrat Adrian Amstutz (svp) präsentiert sich so, wie man ihn schon lange kennt. Dasselbe gilt für das Hauptsujet seiner Kampagne: kein Firlefanz, das Schweizer Kreuz und das SVP-Sünneli dürfen nicht fehlen. Die rote Rampe kann man so interpretieren, dass es mit Amstutz bergauf ginge. Unvorteilhaft ist der weisse Hintergrund. Dieser macht das Sujet kühl und klinisch.

Dasselbe Problem wie bei Amstutz zeigt sich auch bei Grossrat Marc Jost (evp): Ein weisser Hintergrund taugt für Werbung nicht. Der Kandidat kommt jugendlich, frisch und sympathisch herüber, ja er kann sogar noch den Wunschschwiegersohnbonus für sich beanspruchen.  Die Rasierklinge dürfte 24 Stunden vor dem Fotoshooting letztmals zum Einsatz gekommen sein, und das gibt Minuspunkte. Entweder ein gepflegter Dreitagebart oder frisch rasiert – etwas anderes geht nicht. Vor allem nicht in der Kombination mit einem klassischen Outfit (Kittel, Hemd, Krawatte). Die dunklen Schatten um das Kinn stören. Ansonsten entschied sich Jost offensichtlich für “reduced to the max”: Kein Datum, keine URL, dafür den Langzeitslogan der EVP mit dazugehörigem Güggel.

Ein Foto wie aus dem Modekatalog wählte Nationalrätin Christa Markwalder (fdp.die liberalen) aus. Seit sie ihre Haarfarbe von blond auf braun wechselte, kommen ihre blauen Augen noch besser zu Geltung. Sie hat eine starke Präsenz. Dazu schenkt sie dem Betrachter ihr schönsten Lächeln, très charmante; Bürokollege Suppino nahm sogar das Wort kess in den Mund – für politische Werbung ist das unerhört! Gelungen ist die Komposition mit der Lichtquelle hinten rechts. Geht dort die Sonne auf? Die FDP am Ende des Tunnels – dank Markwalder?

Problematisch sind die Farben: Der schlammgrünbraune Hintergrund kontrastiert zu wenig mit ihren Haaren. Die Kombinationen von Hellblau, Dunkeklblau, Rot (Stempel) und Schlammgrünbrau schmerzen nicht nur Ästheten. Das Corporate Design der FDP ist ein Murks, der selbst grossartige Aufnahmen wie diejenige von Christa Markwalder stark beeinträchtigt.

Ganz wohl scheint es Nationalrätin Ursula Wyss (sp) in ihrer Rolle als Model nicht zu sein. Ihre Gesichtszüge deuten das an. Ansonsten ist dieses Sujet gelungen: Die Kleider, die Wyss wählte, ihre üppige Haarpracht, die erstmals zu einer Frisur gebändigt werden konnte, der Hintergrund ist stimmig – es braucht Mut, im Winter Aussenaufnahmen zu machen (anstelle einer gekünstelten Fotomontage) -, das Brunnenwasser vermittelt Ruhe und nimmt die Farben des Hintergrunds auf, der Text ist so knapp gehalten wie möglich, damit das Bild seine Wirkung entfalten kann. Den Kreativen (Konzept, Fotografie, Grafik, Bildbearbeitung) ist ein Wurf gelungen. Deplatziert ist einzig der rote “Kanister”, der bei der SP seit 2009 zum grafischen Auftritt gehört und die Werberszene noch heute spotten lässt.

Fazit: Die Kandidierenden präsentieren sich in ihren Hauptsujets sympathisch und attraktiv. Das ist nicht irrelevant: Wie wir dank einer Studie des Lausanner Politologen Georg Lutz wissen, spielt das Aussehen bei der Wahlentscheidung eine Rolle. Auf einen eigenen Slogan verzichteten alle Kontrahenten, dafür entschieden sie sich, das Logo der eigenen Partei einzusetzen, was bei Ständeratswahlen nicht zwingend ist. Die gestalterische Umsetzung ist im Falle der beiden Männer solid. Christa Markwalder kommt dank einem Hammerbild so nahe an ihr Publikum heran wie sonst niemand. Ursula Wyss ist die Gewinnerin dieses Betrachtungsrunde, ihr  Sujet rundum gelungen – es wirkt am besten.

Auswirkungen auf den Ausgang des Wahlgangs vom 13. Februar- diese Ergänzung ist mir wichtig – haben die Hauptsujets nicht. Die Intensität und Durchschlagskraft der individuellen Kampagnen allerdings schon.


Links zu den Websites der Kandidierenden:

Adrian Amstutz, Sigriswil
Marc Jost, Thun
Christa Markwalder, Burgdorf
Ursula Wyss, Bern